Eigene Forschungen

Dienstag, 24. Juli 2012

HÖLLENHUNDE BELLEN ZUM GEBET


CON LA RABBIA AGLI OCCHI
Italien 1976

Regie:
Antonio Margheriti

Darsteller:
Yul Brynner,
Barbara Bouchet,
Martin Balsam,
Massimo Ranieri,
Giancarlo Sbragia,
Salvatore Borghese,
Giacomo Furia,
Loris Bazzocchi



Inhalt:

Peter Marciani [Yul Brynner] ist Profikiller, wenn auch bereits im Ruhestand. Als er eines Tages jedoch Besuch vom Syndikat bekommt, ist es erstmal Essig mit dem ruhigen Lebensabend: Der Mafia-Scherge steckt ihm im Vertrauen zu, wer für den Tod seines Bruders verantwortlich ist und beauftragt den alternden Auftragsmörder mit der Liquidierung des Schuldigen. Peter reist zwar umgehend nach Neapel, doch die Jahre haben Spuren hinterlassen: Langsam, aber sicher verliert er sein Augenlicht. Durch Zufall macht er jedoch die Bekanntschaft des draufgängerischen Heißsporns Angelo [Massimo Ranieri], der sich seinen Lebensunterhalt dadurch verdient, dass er im Auftrag der Wettmafia mit dem Luftgewehr auf Rennpferde schießt, um somit den Ausgang des Rennes zu beeinflussen. Peter ist Angelos großes Vorbild, möchte er doch genauso berühmt werden in der Szene wie er. Nach anfänglicher Skepsis nimmt Peter ihn unter seine Fittiche und beschließt, ihn zu seinem Nachfolger auszubilden. Doch ein verbissener Kommissar [Martin Balsam] ist den beiden Männern bereits auf ihren blutigen Fersen. 

Kritik:

Antonio Margheriti ist Freunden des italienischen Genrekinos gewiss nicht unbekannt und wird wohl in erster Linie mit den Kriegs- und Söldnerfilmen assoziiert, die der produktive Regisseur ab Beginn der 80er Jahre bevorzugt im philippinischen Dschungel drehte – kostengünstige, aber effektive Abenteuerspektakel wie IM WENDEKREIS DES SÖLDNERS oder GEHEIMCODE: WILDGÄNSE. Tatsächlich aber gab es kaum ein erfolgversprechendes Metier, das Margheriti ausgelassen hat, sei es nun Science-Fiction [→ RAUMSCHIFF ALPHA], Western [→ SATAN DER RACHE] oder Giallo [→ 7 TOTE IN DEN AUGEN DER KATZE]. Im Jahre 1976, also gut fünf Jahre, bevor er anfing, massenweise Miniaturmodelle in die Luft zu sprengen und sich damit bei den Actionfans einen Namen zu machen, inszenierte er mit HÖLLENHUNDE BELLEN ZUM GEBET einen astreinen Beitrag zur Gattung des Killer-Thrillers, in dem eine erfreulich geradlinige Erzählweise auf die bewährte italienische Ruppigkeit trifft.

Die Hauptrolle übernahm der damals bereits über 60 Lenze zählende Hollywood-Haudegen Yul Brynner, der auch zuvor schon mit dem Italo-Kino liebäugelte, als er den Titelpart in dem sarkastischen Western ADIOS, SABATA übernahm. Die Besetzung erweist sich hier als waschechter Glücksgriff, und das nicht nur, weil sein bekannter Name auch für eine anständige Portion internationale Aufmerksamkeit sorgte: Brynners markant-kantiges Antlitz, das kalte Gnadenlosigkeit wie menschliche Wärme gleichermaßen auszustrahlen vermag, ist für die Rolle des alternden stoischen Auftragsmörders geradezu wie geschaffen und man wagt es von Anfang an nicht eine Sekunde, daran zu zweifeln, es bei Peter Marciani mit einem gefährlichen Killer zu tun zu haben. Bereits sein erster Auftritt ist grandios: Lässig hockt er dort am East River, die Angelrute in der Hand, und blickt seinen just hinzugekommenen Auftraggeber kaum von der Seite an. „Ohne mich“, antwortet er ohne Umschweife, als ihm ein neuer Job in Aussicht gestellt wird. Doch als ihm sein Kollege offenbart, dass das neue Ziel der Mörder seines Bruders ist, verfinstert sich seine Miene und er zögert er nicht eine weitere Sekunde: „Adresse? Name?“

Diesem wahrhaft knochentrockenen Auftakt folgt eine konzentriert erzählte Mafia-Story über Ehre, Treue und Verrat, die zwar alle erdenklichen inhaltlichen und personellen Stereotypen bedient, ihr Publikum jedoch aufgrund ihrer fesselnden Narration bis zum melancholisch angehauchten Finale halten kann. Actionmäßig wird dabei eher auf Sparflamme gekocht. Zwar kommt es hin und wieder mal zu Schlagabtauschen oder Verfolgungsjagden und auch ein paar Kugeln treffen durchaus ihr Ziel, im Mittelpunkt jedoch stehen stets die handelnden Figuren und ihre Beziehungen zueinander. Das gilt besonders, nachdem Marciani auf seinen Schützling Angelo trifft, der von Massimo Ranieri [→ MORDANKLAGE GEGEN EINEN STUDENTEN] mit glaubwürdigem jugendlichem Übermut zum Leben erweckt wird. Der junge Heißsporn möchte zwar ausgebildet werden in der Kunst des Tötens, schlägt aber zu oft über die Stränge und muss sich den Respekt des alten Mannes jedoch erst noch verdienen.

Von der Thematik her erinnert in ihren Grundzügen natürlich stark an den vier Jahre zuvor entstandenen amerikanischen Reißer KALTER HAUCH, in welchem Charles Bronson in einer sehr ähnlich angelegten Rolle einen in die Jahre gekommenen Killer verkörperte, der ebenfalls einen jugendlichen Nachfolger unter seine Fittiche nimmt und ihm das Morden beibringt. Angesichts der Tatsache, dass die italienischen Filmschaffenden wahre Meister darin waren, ausländische Erfolgsrezepte zu adaptieren und neu aufzukochen, sind diese Parallelen gewiss auch kein Zufall. Doch HÖLLENHUNDE BELLEN ZUM GEBET ist weit davon entfernt, bloß eine simple Kopie zu sein und entwickelt sich letztendlich in eine ganz andere Richtung. Während sich Bronsons Schüler schnell als Sadist entpuppt, der sich schließlich gegen seinen Meister stellt, bleibt Brynners Zögling trotz seiner amoralischen Absichten bis zum Schluss eine Sympathiefigur, die ihrem großen Vorbild im weiteren Verlaufe immer ähnlicher wird.

Auch wurde der rauen Mörderhatz ein weiterer interessanter Aspekt hinzugefügt: So verliert der Auftragsmörder in regelmäßigen Abständen sein Augenlicht und droht zu erblinden. Doch scheinen diese Symptome eher psychologisch bedingt zu sein. „Mehr als jedes andere Organ des menschlichen Körpers kann der Sehnerv von schrecklichen Erlebnissen der Vergangenheit beeinflusst werden“, erklärt ihm sein Arzt, während man in einer Rückblende Zeuge der Ermordung von Marcianis Bruder wird. Das klingt in medizinischer Hinsicht zwar nicht unbedingt plausibel, besitzt dafür jedoch einen hohen symbolischen Wert: Das traumatische Ereignis, dem Tod des Bruders beiwohnen zu müssen, lastet dermaßen auf der Psyche des Killers, dass er seine Arbeit, die er eigentlich in eiskalter Perfektion beherrscht, nicht mehr korrekt ausführen kann. Ein gelungener dramaturgischer Kniff, der zu einigen zusätzlichen Spannungsmomenten führt.

Als ermittelnder Kommissar (der bis zum Schluss namenlos bleibt) agiert neben Yul Brynner mit Martin Balsam ein weiterer US-Import, der einerseits in Meisterwerken wie PSYCHO oder EIN KÖDER FÜR DIE BESTIE mit von der Partie war, sich es jedoch ebenfalls nicht nehmen ließ, sein Gesicht in regelmäßigen Abständen dem Italo-Kino zur Verfügung zu stellen und dabei zur Not auch fröhlichen Unfug wie ZWIEBEL-JACK RÄUMT AUF in seine Vita aufnahm. Auch Balsam überzeugt voll und ganz als bärbeißiger Gesetzesdiener; sein Gespräch mit Yul Brynner, in dem beide Parteien sich belauern und gegenseitig die Bälle zuspielen, geriet zu einem der darstellerischen Höhepunkte. Für die weibliche Note im Geschehen sorgt die in Deutschland geborene Barbara Bouchet [→ DER CLAN DER KILLER], die erst einen Striptease hinlegen darf, bevor sie, wenn auch vom Drehbuch etwas unzureichend motiviert begründet, dem Profikiller schöne Augen machen darf. Obwohl ihre Figur kaum mehr ist, als ein fast schon verärgernd simpel entworfenes Frauenklischee, beeindruckt auch sie durch Schönheit und Schauspiel gleichermaßen.

Auch an anderen Stellen tummeln sich Gesichter, die bei Fans des europäischen Kinos immer wieder gern gesehen werden, sei es Luigi Bonos [→ DJANGO – SCHIESS MIR DAS LIED VOM STERBEN] oder Charakterfresse Salvatore Borghese [→ DREI SPAGHETTI IN SHANGHAI] in einer für ihn typischen Paraderolle als Mafia-Killer Vincent. Dazu gesellen sich ein überaus sauber ins Ohr gehender Soundtrack von Guido und Mauritio de Angelis (die Stammkomponisten für die Bud-Spencer- und Terence-Hill-Streifen) und eine ausgezeichnete Kameraführung von Sergio D'Offizi [→ DAS GOLD VON SAM COOPER], die das Werk vortrefflich abrundet. Auch, wenn der hier skizzierte Blick auf die Mafia und ihre Mitglieder in manchen Momenten einen etwas arg naiven Eindruck macht, bietet DEATH RAGE (so der Titel der alternativen US-Schnittfassung) durch und durch vorzügliche Unterhaltung mit einer geschickt dosierten Mischung aus Ruhe und Randale.

Für Yul Brynner wurde es die letzte Rolle überhaupt – 1985 starb er an einer heimtückischen Krankheit. HÖLLENHUNDE BELLEN ZUM GEBET ist ein Abgang, für den man sich wahrlich nicht zu schämen braucht, ein würdevolles Alterswerk aus der zweiten Reihe – ruppig, spröde und von angenehm zynischem Einschlag. Gut gebellt, Brynner!

Laufzeit: 98 Min. / Freigabe: ab 18

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