Eigene Forschungen

Montag, 30. Dezember 2013

SHAOLIN


XIN SHAO LIN SI
China 2011

Regie:
Benny Chan

Darsteller:
Andy Lau,
Nicholas Tse,
Fan Bingbing,
Jackie Chan,
Jacky Wu,
Bai Bing,
Xing Yu,
Yu Shaoqun



Inhalt: 

China in den 20er Jahren: Kriegsherren liefern sich brutale Kämpfe um die Machtansprüche im Land. Einer von ihnen ist General Hao [Andy Lau]. Gemeinsam mit seinem Schüler Tsao [Nicholas Tse], den er aufgrund seiner jugendlichen Temperaments häufig zurechtweisen muss, geht er rücksichtslos gegen seine Feinde vor. Als einer seiner Kontrahenten in einem Shaolin-Kloster Zuflucht sucht, können selbst die dort lebenden Mönche ihn nicht daran hindern, den Mann zu töten. Aufgrund seines Erfolgs übermütig plant er als nächstes, General Song [Shi Xiao-Hong], dem er eigentlich Blutsbrüderschaft schwor, bei einer familiären Zeremonie zu ermorden. Doch Hao wiederum wird von Tsao verraten, der die Gelegenheit am Schopfe packt, sich gleich mehrerer Konkurrenten zu entledigen. Nur mit Müh und Not entkommt Hao der angeheuerten Killerbande und schleppt sich – seine schwer verletzte Tochter im Arm – ausgerechnet in das Shaolin-Kloster, welches er einst entweihte. Zwar bemühen sich die Mönche um das Leben des Kindes, doch können sie dessen Tod nicht mehr verhindern. Fassungslos vor Trauer zerbricht der einst so stolze Mann und mit ihm sein Lebenswille. Tsao errichtet in der folgenden Zeit eine wahre Schreckensherrschaft im gesamten Land. Während Hao aus den Lehren Buddhas nach und nach neuen Mut schöpft, erfährt Tsao, mittlerweile mit ausländischen Invasoren im Bunde, von seinem Aufenthaltsort. Mit einer riesigen Armee im Schlepptau und mit den modernsten Feuerwaffen ausgerüstet stattet er dem Kloster einen Besuch ab.

Kritik:

SHAOLIN – der aufs Wesentliche heruntergebrochene Titel macht es mehr als deutlich – versteht sich als Rückkehr zum klassischen chinesischen Shaolin-Kino, welches in den 70er und 80er Jahren auf einer niemals zu enden scheinenden Erfolgswelle durch die Lichtspielhäuser rollte und die Kassen im Takte stahlharter Fäuste und unbezwingbarer Todeskrallen tüchtig klingeln ließ. Quasi in Dauerschleife traf das Publikum die volle Wucht aus Kung Fu und Konfuzius, und auch in Deutschland verging während dieser Zeit kaum eine Woche, ohne dass sich ein Titel mit dem zugkräftigen „Shaolin“-Wort in das Kinoprogramm verirrte. Dass dieser Wahnsinns-Output neben einigen Glanzlichtern auch jede Menge Graupen hervorbrachte, versteht sich dabei fast von selbst, konnte dem anhaltenden Interesse jedoch kaum etwas anhaben.

Der actionerprobte Regisseur Benny Chan [→
INVISIBLE TARGET] sorgte 2011 für diese gediegene und von reichlich Produktionsmitteln gestützte Neuauflage des Stoffes, welche zwar, von großen Dingen wie Loyalität, Verrat und Rache erzählend, die bewährten Themen abhandelt, sich in vielen Punkten allerdings von der klassischen Phase unterscheidet: Mit reichlich Emotionswallung und dem apokalyptischen Überzug einer großen griechischen Tragödie ausgestattet schickt die
im Grunde recht konventionelle Geschichte ihre Figuren auf eine moralgetränkte Sinnsuche durch Tod und Verderben, Shakespeare stets näher als Shaw und Zhang Yimous schwelgerischem FLUCH DER GOLDENEN BLUME am Ende weitaus ähnlicher als Chang Ches eher geerdetem TEMPEL DER SHAOLIN. Ausufernden Actionmomenten stehen somit auch immer wieder zahlreiche Augenblicke der Ruhe gegenüber, in welchen Handkante und Streitaxt pausieren und die Protagonisten zu sich selbst finden dürfen. 
Dabei gab man sich auffallende Mühe, die Charaktere nicht zum stupiden Reißbrettprodukt verkommen zu lassen, sondern sie so ambivalent wie möglich zu zeichnen. Das gilt in besonderem Maße für den Hauptprotagonisten Hao: Lernt man ihn zunächst als machtbesessenen Tyrannen kennen, entpuppt er sich im weiteren Verlauf als dennoch aufrichtig liebender Ehemann und Vater, was im beinharten Kontrast steht zu seinem von gefühlskalten Gewaltaktionen dominierten Vernichtungsfeldzug. Seine spätere Wandlung von der brutalen Dreckschleuder zum friedvollen Pazifisten geht zwar insgesamt ein wenig zu schnell, eine ausführlichere Beschreibung allerdings hätte die Laufzeit von zwei Stunden gewiss gesprengt.

Trotz der grundsätzlich erkennbaren Bestrebung, sich von der klassischen Ära abzugrenzen, von deren erstarrten Mustern und Motiven, in einer seiner Hauptkomponenten, der Darstellung der Shaolin-Mönche nämlich, geriet SHAOLIN jedoch abermals reichlich klischeeversetzt und hat der stereotypischen Inszenierung vergangener Zeiten kaum etwas entgegenzusetzen: Natürlich gibt es auch hier den alten Zausel, der selbst in Gegenwart allergrößter Gefahr immer noch ein paar Glückskeksweisheiten im Gepäck hat, und das Können der Schüler grenzt einmal mehr eher an Zauberei, denn an tatsächliche Kampfkunst. Das beißt sich zwar ein wenig mit der selbstauferlegten intellektuellen Attitüde, geriet jedoch nicht wirklich störend, zumal Übertreibung in dem Genre beileibe nichts Neues ist.

Angenehm übertrieben und von achtbarer Kinetik gerieten auch die Actionszenen, die, anfangs noch recht rar gesät, wenn sie denn stattfinden, richtig Freude machen: So liefert sich Hao auf der Flucht vor seinen Häschern eine halsbrecherische Verfolgungsjagd per Kutsche, während er von allen Seiten mit riesigen Streitäxten malträtiert wird. Das ist freilich arg realitätsfern, aber in seiner Rasanz verdammt schick anzusehen. Ähnliches gilt auch für die obligatorischen Kampfsequenzen, die, trotz kaum zu übersehendem Drahtseil-Einsatz, sehr gefallen können. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto stärker liegt die Betonung schließlich auf dem religiösen Aspekt der Geschichte – gegen Ende gar dermaßen penetrant, dass man fast den Eindruck gewinnen könnte, es mit einem Werbefilm für den Buddhismus zu tun zu haben. Mutige Zuschauer können SHAOLIN daher zu einem kleinen Trinkspiel nutzen: Wem es gelingt, jedes Mal, wenn der Satz „Gelobt sei Buddha!“ fällt, einen zu heben, dem dürfte der Schlussakt verborgen bleiben.

In der Hauptrolle des sich auf dem Wege der Läuterung befindlichen General Hao erlebt man den gewohnt souverän agierenden Andy Lau [→ DETECTIVE DEE UND DAS GEHEIMNIS DER PHANTOMFLAMMEN]. Nun mag Lau nicht unbedingt der beste Darsteller Asiens sein, und vor allem in den emotionalen Momenten SHAOLINs wirkt er bisweilen auch ein wenig überfordert, doch trotz kaum zu leugnendem Autopilotschauspiel gelingt es ihm, die schwierige Rolle ausreichend auszufüllen (wobei ihm nicht zuletzt auch sein unverändertes Charisma zugutekommt). Als die Frau an seiner Seite sieht man die attraktive Fan Bingbing, welche bereits beim Schlachtenepos BATTLE OF KINGDOMS gemeinsam mit Lau vor der Kamera stand. Trotz relativ kurzer Präsenz verkörpert sie ebenfalls eine sehr interessante Figur, die die grausamen Taten ihres Mannes zwar verabscheut, ihm aber trotz allem bis zum Schluss loyal bleibt. 
Der Part des Antagonisten in Form des despotischen Widerlings Tsao ist mit Nicholas Tse [→ NEW POLICE STORY] nahezu perfekt besetzt: Sein noch jugendliches Äußeres und seine zunächst so unscheinbare Aura täuschen auch den Zuschauer lange Zeit über die Gefahr, die er darstellt, hinweg, bevor er spätestens im Finale als ultimativ hassenswertes Scheusal den Wutz von der Kette lassen darf. Scheußlich unpassend ist in dem Zusammenhang allerdings auch seine viel zu alt klingende Synchronstimme, welche seinem Charakter in der (ansonsten gut gelungenen) deutschen Fassung einiges an Wirkung raubt.

Als zusätzliches Zugpferd darf auch Leinwandlegende Jackie Chan [→ CITY HUNTER] als kauziger Shaolin-Koch durch das Szenario turnen und dabei – eigentlich keine große Überraschung – für die humoristische Komponente zuständig sein. Auch wenn seine Rolle im Prinzip ziemlich unnötig scheint und allzu auffällig nur ins Skript geschrieben wurde, um die Besetzungsliste mit seinem prominenten Namen schmücken zu können, geriet sein Auftritt doch keinesfalls störend und ausreichend amüsant. Wenn er behauptet, früher mal ein ganz guter Kämpfer gewesen zu sein, aber Kung Fu bereits seit Jahren verlernt zu haben, kann man sich ein Schmunzeln kaum verkneifen. Gerade seine Kampf-Einlage jedoch passt nicht so wirklich ins Konzept, bedient sie doch hauptsächlich eher seine Slapstick-Freunde, was sich mit der eigentlich eher düsteren und brutalen Grundstimmung nicht so recht vertragen will.

Letztendlich ist SHAOLIN gewiss kein Meilenstein – dafür ist er schlichtweg nicht originell, nicht besonders, nicht innovativ genug. Doch trotz kleinerer Schwächen bleibt er nicht nur für eingefleischte Kung-Fu-Jünger absolut lohnenswerte Unterhaltung. Mag die ersponnene Erzählung auch nicht neu und weitestgehend überraschungsfrei sein, so ist hier doch eindeutig der Weg das Ziel: Wenn Hao sich publikumswirksam von Saulus zum Paulus wandelt, um in eiseskalter Nacht unter glasklarem Sternenhimmel mit einem Shaolin-Jungen an seiner Seite seine Übungen zu zelebrieren, erfüllt von Einkehr und innerem Frieden, dann sind das – allem prätentiösem Protz zum Trotze – doch wunderschöne Momente, die sich ins Gedächtnis brennen. Und wem der Anfang noch zu verlabert ist, der kommt spätestens beim explosiven (wenn auch viel zu offensichtlich mit CGI aufgemotzten) Finale auf seine Kosten. Zudem ist SHAOLIN einer der wenigen großen Hongkong-Blockbuster des neuen Jahrtausends, der nicht als Propaganda für die chinesische Regierung herhalten muss. Gelobt sei Buddha!

Laufzeit: 126 Min. / Freigabe: ab 12

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