Eigene Forschungen

Montag, 28. Oktober 2013

ROBO VAMPIRE


ROBO VAMPIRE
HK 1988

Regie:
Godfrey Ho

Darsteller:
Robin Mackay,
Nian Watts,
Harry Miles,
Joe Browne,
Nick Norman,
George Tripos,
David Borg,
Diana Byrne



Liest der Trashfreund irgendwo den Namen Godfrey Ho, dann fängt die Pumpe an zu rasen. Der 1948 in Hongkong als Chi Kueng Ho geborene Regisseur lässt sich allerhöchstens mit einem Augenzwinkern als ein solcher bezeichnen und setzte seine Berufsbezeichnung auf offiziellen Papieren hoffentlich regelmäßig in Anführungszeichen. Denn Ho führte nicht nur Regie, sondern das Publikum auch wiederkehrend an der Nase herum: Anstatt tatsächlich Geld für aufwändige Action auszugeben, erwarb der findige Geschäftsmann für nen Appel und'n Ei lieber billige Ausschussware vorzugsweise niemals fertiggestellter Billigfilmchen und schnitt das Material mehrerer dieser Knallschoten mehr schlecht als recht ineinander (vollkommen egal, ob das nun passte oder nicht). Um zumindest im Ansatz den Anschein zu erwecken, diese Handlungsmomentaufnahmen hätten tatsächlich auch etwas miteinander zu tun, drehte er dann meist auf Amateurfilmniveau, ohne jeden finanziellen Aufwand und mit grauenhaften Laiendarstellern ein paar Zwischensequenzen, die als vermeintliche Bindeglieder agieren und einen Zusammenhang suggerieren sollten. Sollte es danach immer noch nicht so recht harmonisieren, wird per neu arrangierter Nachsynchronisation dem originalen Wortlaut der Sequenzen einfach ein neuer Sinn gegeben – was nicht passt, wird passend gemacht!

Sinnlos zu erwähnen, dass das, was dabei am Ende herauskam, trotzdem in keinerlei Einklang steht und sich das Niveau bei all der Herumdoktorei schon längst in Richtung Grasnarbe verabschiedet hat. Andererseits war es Ho natürlich auch niemals daran gelegen, die Oscar-Verleihung zu entern, sondern lediglich daran, leicht verkäufliches Videofutter abzuliefern. Und auf dieser Schiene fuhr er jahrelang so gut, dass seine zusammengestümperten Produkte schon bald ganze Lagerhallen füllten. Für Ottonormalvergucker ist das natürlich nichts – für Trashfans hingegen ein kleines Paradies. ROBO VAMPIRE reiht sich nahtlos ein in diesen Ausschuss und besitzt höchstens entfernt Ähnlichkeit mit einem Film. Die Handlung zu beschreiben, das fällt schwer - hier ein Versuch:

Inhalt:

Eine skrupellose Gangsterbande gerät eines Tages in eine Schießerei mit ein paar Drogenfahndern, wobei mehrere der bösen Buben ins Gras beißen. Ihr Anführer (wie es sich für einen Big Boss ziemt natürlich ganz stilecht mit dicker Pornobrille) ist aufgrund solch unbeglückender Ereignisse doch arg erzürnt, hat aber eine sehr naheliegende Idee:

Boss:
„Wir müssen einen Weg finden, wie wir uns diesen Anti-Drogen-Agenten vom Hals schaffen.“

Handlanger
(mit totaler Idiotenstimme):
„Boss, wie sollen wir das machen?“

Boss:
„Ich habe Kontakt zu einem Taoisten. Der richtet Vampire ab, die dann für ihn arbeiten.“

So etwas lässt natürlich aufhorchen. Des Bosses narrensicherer Plan: Die abgerichteten Vampire des Dr. Fu Man Chu (oder wie immer der heißt) sollen ihm beim Drogenschmuggel helfen. So befiehlt er seinen Untergebenen, den Vampirflüsterer aufzusuchen. Unverzüglich stolpern die beiden los, ohne auch nur ein einziges Mal nach dem Weg fragen zu müssen. Kaum am Ziel angekommen, hat der alte Blutsaugerbändiger auch sogleich eine sehr frohe Botschaft im Gepäck und verkündet mit stolzgeschwellter Brust: „Mein Vampir-Experiment ist gelungen. Kommt her, und überzeugt euch selbst von diesem gelungenen Experiment!“ (Ja, die Dialoge sind hier wahrlich ausgefeilt.)

Nun werden die beiden Ganoven mit staunend aufgerissenen Glubschaugen Zeuge, wie der alte Meister tatsächlich einen Aushilfs-Dracula heraufbeschwört, welcher allerdings eine Gorillamaske trägt (warum auch immer, vielleicht ist in Siebenbürgen ja gerade Karneval). Doch damit nicht genug der Merkwürdigkeiten: Aus heiterem Himmel, und ohne dass man sie dafür extra heraufbeschwören musste, taucht auch noch eine geheimnisvolle Geisterfrau auf, welche sich schnell als Schwester des King-Kong-Vampirs zu erkennen gibt. Als eben diese zögert sie nicht lang und stellt unverblümt die Gretchenfrage: „Wie kannst du es wagen, den Leichnam meines Bruders zu einem Vampir umzufunktionieren und aus ihm einen lebenden Toten zu machen? Wer gibt dir das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden?“ Meister Tao kontert sogleich sehr geschickt: „Aber er kam aus dem Osten. Du nicht.“ Das ist natürlich eine tolle Antwort, die allerdings so rein gar nichts mit der Frage zu tun hat. Dementsprechend gibt sich die geisterhafte Dame auch ziemlich unüberzeugt und deutet an, mit der Gesamtsituation sehr unzufrieden zu sein. Nach dem Tode ihres Bruders wollte sie mit ihm vereint sein, was jetzt halt nicht mehr geht, da er ja nun ein Vampir mit Gorillamaske ist. Nach kurzem Handgemenge willigt der Tao-Mann schließlich ein, beide Parteien eines Tages zu vereinen, allerdings erst, nachdem beide für ihn gearbeitet haben. Verwirrend? Merkwürdig? Unverständlich? Gewiss! Ist aber auch völlig egal, spielt später sowieso keine Rolle mehr.

Vampir-Kong darf schon bald zeigen, was alles in ihm steckt, und tötet einen Mitarbeiter des Anti-Drogen-Kommandos. Aber Glück im Unglück für die gute Seite: Ein Wissenschaftler hat kürzlich ROBOCOP im Fernsehen gesehen und weiß nun, wie man aus toten Polizisten astreine Kampfroboter zusammenpfriemelt (als er sich während der Arbeit an selbigem plötzlich eine Wunderkerze ansteckt, wähnt man sich zwar zunächst in feucht-fröhlicher Jahreswechselfeierlichkeit, tatsächlich jedoch soll die Kerze lediglich ein Schweißgerät darstellen [Wunderkerzen als Schweißgeräte gab es übrigens auch schon bei der AUGSBURGER PUPPENKISTE, die Idee ist also schamlos geklaut]).

Wunderkerze hin, Puppenkiste her, das Ergebnis ist überaus beeindruckend: Im schmucken Alufolien-Ganzkörperkondom, mit Pisspott auf'm Kopp und hinten drangeklebter Antenne von Opas altem Kofferradio, sorgt Blechbulle nun dafür, dass sich jeder Verbrecher, der das große Pech hat, ihm über den Weg zu laufen, totlachen muss. Folgend stakst Robi nun völlig plan- und ziellos durch Feld, Wald und Wiese oder veranstaltet lange und ausgiebige Strandspaziergänge, da sich die meisten Gewaltverbrechen bekanntlich in schaumbenetzten Dünen abspielen. Und als wäre das alles nicht bereits genug Tumult, wird nebenbei auch noch die Mitarbeiterin einer Anti-Drogen-Einheit (soll zwar die bereits erwähnte sein, hat aber eindeutig nichts mit ihr zu tun) vom Drogenboss Mr. Young entführt und auf solch grausame Weise gefoltert, dass selbst Jigsaw blass werden würde: Auf einen Stuhl gefesselt muss sie herunterfallende Wassertropfen ertragen. Zwar kommt höchstens alle zwei Minuten mal einer, dennoch schreit die arme Frau so verzweifelt, als zwänge man sie, die Handlung zu erklären.

Ray, ein offenbar stahlharter Einzelkämpfer (auch, wenn er nun gar nicht danach aussieht), wird von höchster Stelle (also vermutlich von irgendjemandem, der in einem Baumhaus sitzt) damit beauftragt, die Dame wieder rauszuhauen:

„Du bist der Einzige, Ray, der es mit diesem verfluchten Young aufnehmen kann. Young ist ein verdammt harter Kotzbrocken!“

Interessanterweise ist es der Regierung zwar möglich, für diese Aktion mal eben 30 000 Dollar aus dem Ärmel zu schütteln, als Büro jedoch kann sie sich lediglich eine lausige Rumpelkammer leisten (könnte natürlich auch ne geschickte Tarnung sein). Nach einer Extra-Dosis endlosen Herumlatschens, sowie diverser Vampir- und Gangster-Attacken, landet man plötzlich wieder bei Robobulle, der sich allerdings aus heiterem Himmel nicht mehr an der Küste, sondern mitten in der (wenn auch menschenleeren) Großstadt befindet. Es kommt zum grausamen Kampf Blechbüchse gegen Vampir-Gorilla.

Kritik:

Das war zwar ein Versuch, die sich auf geradezu schwindelerregende Weise jeder Struktur verweigernden Ereignisse zusammenzufassen, doch worum es hier eigentlich geht, bleibt weiterhin unklar. Jedenfalls konträr zum Titel nicht um Robo-Vampire, davon gibt es hier nämlich keine. Dafür allerdings Robo-Polizisten und Vampir-Gorillas, die sich allerdings eher wie Zombies benehmen. Doch ob Robo, Vampir, Gorilla, Zombie oder Geist - für die Handlung, falls man sie so nennen möchte, spielt das ohnehin keine Rolle.

ROBO VAMPIRE ist ein Krüppel von einem Film. Keine Szene passt irgendwie zur anderen. Sollte hingegen doch mal die Gefahr bestehen, die Story könnte zu stringent oder gar verständlich werden, kommt wieder ein brutaler Schnitt und man befindet sich erneut an einen anderen Ort mit völlig neuen Protagonisten, die ganz neue unverständliche Dinge tun und sagen. Leute stellen sich mit Namen vor und verschwinden danach auf Nimmerwiedersehen, weder gibt es Bezugspersonen, noch einen auch nur minimalen Spannungsbogen. Die Synchronisationsfritzen der deutschen Fassung verstanden offenbar auch nicht mehr, worum es überhaupt ging (kann man ihnen nicht verübeln), und quatschten einfach irgendetwas drauflos (und zwar ungefähr mit der Leidenschaft einer Trauerrede). Die Darsteller sind offenbar direkt aus der nächstbesten Kneipe gecastet, stehen stellenweise in der Gegend rum, als hätte sie das Delirium ereilt. Alle hirnverbrannten Dialoge aufzuzählen, würde ganze Bände füllen. Als Beispiel sei daher lediglich das Zitat gebracht, welches fällt, nachdem der Aluboter in die Luft gejagt wurde. Sein Erbauer folgert scharfsinnig den Grund für dessen anschließende Funktionsuntüchtigkeit: Ich befürchte, er hat einen Kurzschluss.“ Sehr guter Gedanke! Könnte aber natürlich auch damit zusammenhängen, dass er gerade eben explodiert ist.

Dazu gibt es als Sahnehäubchen noch ein paar Szenen zu bestaunen, die man eigentlich gar nicht für möglich gehalten hätte und hauptsächlich die hochlachhafte ROBOCOP-Kopie betreffen: So muss sich Schrott-Bot am Strand mit ein paar Vampiren herumplagen, die, wie es sich für chinesische Vampire gehört, wild um ihn herumhüpfen, was im Endeffekt aussieht, als versuche er verzweifelt, einen Sack Flöhe zu hüten. Doch auch die atemberaubende Verfolgungsjagd gegen Ende sollte unbedingt Erwähnung finden: Da hopst der Vampiraffe ohne jedes Tempo eine menschenleere Straße entlang, während Hartz-IV-Robo gemütlich hinterherschlendert – fehlen nur noch die Radfahrer im Hintergrund, welche die beiden klingelnd überholen. Kurzum: Godfrey Ho macht seinem Ruf hier mal wieder alle Ehre. Das Müllometer schlägt Purzelbäume und Trashfans fliegt der Draht aus dem Hut. Alle anderen werden nicht mal den Vorspann überstehen. Immerhin besser als TWILIGHT.

Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ungeprüft

Mittwoch, 16. Oktober 2013

00 SCHNEIDER - IM WENDEKREIS DER EIDECHSE


00 SCHNEIDER – IM WENDEKREIS DER EIDECHSE
BRD 2013

Regie:
Helge Schneider

Darsteller:
Helge Schneider,
Rocko Schamoni,
Pete York,
Peter Thoms,
Sergej Gleithmann,
Norbert Losch,
Tyree Glenn,
Carlos Boes


 
„Er wurde nicht als Kommissar geboren. Er musste diesen Beruf erst erlernen.“ 


Inhalt:

Der Kommissar Schneider [Helge Schneider] ist gut. Darum braucht man ihn auch, als eines der schlimmsten Verbrechen überhaupt begangen wird: Ein skrupelloser Verbrecher hat eine Schachtel Zigaretten aus einem Kiosk geklaut. Die Täterbeschreibung der Besitzerin [Peter Thoms] gerät sehr ungewöhnlich: Er hielt sich die Hände wie eine Krause vor den Hals, gab reptilienähnliche Laute von sich und bespuckte die arme Frau mit einer übelriechenden Flüssigkeit. Natürlich will der Kommissar auch diesen Fall schnell lösen und den Verbrecher ins Gefängnis tun. Doch das erweist sich als ungewöhnlich schwierig. Als der Täter ein zweites Mal zuschlägt und ein Huhn vom Bauernhof klaut, ist er am Ende seiner Weisheit. Ein Täter, der raucht und spuckt? Wie kann das sein? 00 hat nur eine vernünftige Erklärung: Alle 400 Jahre kommt ein Eidechsenmann auf die Erde, um Unheil zu stiften. Da der Kommissar nebenbei auch noch einen Sittenstrolch zur Strecke bringen muss, von einem rachsüchtigen Staubsaugervertreter verfolgt wird, Besuch von seiner angeblichen Tante Tyree [Tyree Glenn] aus Amerika bekommt und zudem auch noch aufgrund seiner Memoiren jede Menge Interviews geben muss, hat er wieder alle Hände voll zu tun … 

Kritik:

Das Phänomen Helge Schneider zu erklären ist ein Unterfangen, an dem schon größere Männer gescheitert sind. Tatsache ist, dass der extravagante Unterhaltungskünstler von vielen Kritikern jahrelang als Dilettant verschrien wurde und seine Auftritte erst Konzerthallen füllen mussten, bis der Feuilleton sich schließlich bereit erklärte, ihn und seine ungewöhnliche Art der Komik zu akzeptieren. Als besonderer Härtefall erwiesen sich dabei vor allem Schneiders Leinwandausflüge, in welchen er sein Stilmittel der vermeintlichen Laienhaftigkeit, das bereits seine Musik, Hörspiele und Bühnenprogramme durchzog, bis ins maximal Mögliche potenzierte. Als er 1994 als Kommissar 00 SCHNEIDER – JAGD AUF NIHIL BAXTER machte und der Humor Schneiders noch längst nicht, wie in späteren Jahren, zur deutschen Popkultur gehörte, sorgte der sich jeder Stringenz und Professionalität verweigernde 16mm-Witz für so manch fragendes Kritiker- und Konsumentengesicht. 

00 SCHNEIDER – IM WENDEKREIS DER EIDECHSE ist, schlanke 19 Jahre später, der zweite Kinoeinsatz der von Schneider erdachten und verkörperten Kunstfigur (wenn man seine Nebenrolle in TEXAS außer Acht lässt), und somit die erste reelle Fortsetzung innerhalb des Helge-Schneider-Universums. Tatsächlich jedoch ist das kaum von Belang, denn Schneider hat sich weiterentwickelt in all der Zeit, und so auch seine Arbeit. Der erste 00 SCHNEIDER ließ sich in alter Form kaum wiederholen, viel zu abgeklärt wirkt der mittlerweile lässige Altersmilde ausstrahlende Helge Schneider, der, anstatt wie zu früheren Zeiten mit seinem unangepassten Brachialhumor gegen starre Schablonen in Kunst und Gesellschaft zu rebellieren, lediglich noch entspannte Selbstreflexion bietet. 00 SCHNEIDER Eidechse ist nicht 00 SCHNEIDER Nihil Baxter, welcher mit komplett improvisierten Szenen, viel zu langen Kameraeinstellungen und dadaistisch-depperten Dialogen jeden Realitätsbezug unter brutalem Wahnwitz begrub. 

IM WENDEKREIS DER EIDECHSE fühlt sich grundlegend anders an und präsentiert sich als ironische Kriminalfilmparodie, welche zwar mit den gewohnt-grotesken Schneiderismen aufwartet, inhaltlich jedoch deutlich geschlossener daherkommt und in seiner Ausführung mehr den Regeln des Films als denen des absurden Theaters gehorcht. Bezeichnend für diesen Wandel sind bereits die ersten Minuten, in welchen 00 Schneider in seinem schäbigen Citroën durch das in bewährt-tristen Bildern eingefangene Ruhrgebiet eiert, um sich, nach einer Fahrt ums Eck, plötzlich und mit völliger Selbstverständlichkeit an den majestätischen Felsenstränden Andalusiens zu befinden. Die bekannte Ranzigkeit vermischt sich hier quasi im Handumdrehen mit wuchtiger Pracht, die renommierte Unsinnigkeit mit professionellem Handwerk. 

Auch die Hauptfigur agiert widersprüchlich zum originalen 00, legt neben ihrem bewährten Kleidungsstil auch ihre verkniffene Mimik nebst gepresster Sprechweise ab und gleicht nunmehr dem in den Romanen beschriebenen Kommissar, welcher ebenfalls mit dem Kino-00 nur wenig zu tun hatte. Für Fans sind derlei Charakteränderungen nichts Ungewöhnliches: Auch Dr. Hasenbein, ein weiteres Alter Ego Helge Schneiders, war, nach einer Nebenrolle im ersten 00 SCHNEIDER, in seinem eigenen Kinofilm plötzlich eine völlig andere Person. Schneider hielt nie viel von Struktur und Zusammenhang und entwickelte seine Figuren stets auf dieselbe Art und Weise, wie er seine gesamte Komik entstehen lässt: spontan und aus dem Bauch heraus. Vorbilder für den ‚neuen‘ 00 waren ziemlich eindeutig die knallharten Cops der reaktionären 70er-Jahre-Polizeifilme, welche die Verbrecher mit unorthodoxen Methoden zur Strecke bringen, um sie im Anschluss windelweich zu prügeln.

Nicht nur, aber auch in diesen liebevoll eingestreuten Genrezu- und -zitaten zeigt sich erneut, worin der Erfolg Helge Schneiders mitbegründet liegt: Ebenso, wie er die Regeln der Musik beherrscht, beherrscht er auch die Regeln des Filmemachens – freilich lediglich, um sie genussvoll unterlaufen zu können. Man erkennt, dass Helge weiß, wie Filme funktionieren, dass er die Vorlagen kennt und sich darüber bewusst ist, dass sein Publikum das ebenfalls tut. Die daraus resultierende Erwartungshaltung macht er sich zu Nutze, um die sattsam bekannten Muster immer wieder aufzugreifen und sie dann, durch fallengelassene Ideen, verpasste Pointen und normkonträre Verhaltensweisen, gekonnt auszuhöhlen. Das passt wunderbar in diesen absonderlichen Parallelkosmos, in welchem sich die Ereignisse zutragen, eine merkwürdig anachronistische Mischung aus 70er-Jahre-Mief und globalisierter Weltoffenheit, in welchem es keine Computer gibt, sondern nur Schreibmaschinen, in welchem auf dem als Polizeirevier dienenden, äußerst hässlichen Betonklotz nicht ‚Polizei‘ steht, sondern ‚Police‘, und in welchem die Sprache auf der Station ein heilloses Durcheinander aus Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch ist.

Wie befreiend ist es da, dass an diesem absurden Ort Menschen hausen, die vor allem durch ihre unverkrampfte Natürlichkeit bestechen. Niemand hier ist ein professioneller Schauspieler, und das ist auch gut so. Abermals besetzte Helge überwiegend aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis und bewies dabei erneut ein unfehlbares Gespür für schräge Typen, die allein durch ihre Kauzigkeit amüsieren. Die junge, rappende Taxifahrerin z. B. hat zwar keine Funktion, passt aber irgendwie einfach hinein in dieses verrückte Helge-Universum, zu dem sich natürlich auch wieder alte Bekannte gesellen: So hat Peter Thoms als JAZZCLUBs Pflasterverkäufer zwar mittlerweile die Preise geändert, ist aber immer noch nicht beim Euro angekommen. Auch ließ es sich Helge nicht nehmen, zusätzlich zur Hauptfigur noch weitere Nebenrollen zu übernehmen: Vor allem der extrem nuschelnde Psychiater Dr. Henry oder der dauergeile Zahnarzt Dr. Fracklefuss belasten dabei gehörig das Zwerchfell.

Das Wiedersehen mit etablierten Charakteren und die gleichzeitige Einführung neuer Kultfiguren geriet für geübte Fans zu einer freudenspendenden Veranstaltung, die mit schneidertypischen Momenten (so legt der Meister in einem Parkhaus ebenso spontan wie sinnlos eine flotte Sohle aufs Parkett) ebenso aufwartet, wie mit gezielten Parodien auf gängige Klischees amerikanischer Copthriller (wie der massenhaft praktizierte Tabakkonsum, der selbst den seligen Helmut Körschgen blass gemacht hätte). Anhänger wissen, was sie erwartet, und 00 SCHNEIDER – IM WENDEKREIS DER EIDECHSE nach bekannten Maßstäben zu beurteilen, ist erwartungsgemäß nicht möglich. Denn obwohl man den Regeln des klassischen Filmemachens hier mehr Tribut zollte, bleibt es letztendlich ein nach wie vor formfernes Experiment. Sympathisanten hält das nicht ab: Klar schludert die Kamera. Klar schludert das Licht. Klar schludert der Schnitt. Doch ist es Schludern um des Schluderns Willen. Helge bleibt Helge bleibt Helge bleibt Helge. Wer’s mag, der mag’s. Wer’s nicht mag, hat einfach Pech.

Laufzeit: 94 Min. / Freigabe: ab 6

Donnerstag, 3. Oktober 2013

DIE BRONX-KATZEN


SWITCHBLADE SISTERS
USA 1975

Regie:
Jack Hill

Darsteller:
Joanne Nail,
Robbie Lee,
Monica Gayle,
Asher Brauner,
Chase Newhart,
Marlene Clark,
Kitty Bruce,
Janice Karman



„Mütter, versteckt eure Söhne – die Bronx-Katzen sind los!“


Inhalt:

Die 'Dagger Debs' sind eine brutale New Yorker Mädchengang, vor welcher das ganze Viertel zittern muss. Doch eines Tages kommt Maggie [Joanne Nail] in die Stadt, welche sich nicht so ohne Weiteres einschüchtern lässt und den 'Debs' ordentlich Paroli bietet. Nach einer zünftigen Rauferei landet die Gang gemeinsam mit Maggie im Kittchen. Bandenchefin Lace [Robbie Lee] ist von den Nehmerqualitäten des Neuankömmlings überaus beeindruckt, und als sie ihr auch noch dabei behilflich ist, die Übergriffe der lesbischen Wärterin Mom Smackley [Kate Murtaugh] abzuwehren, entsteht eine Freundschaft zwischen den beiden Mädchen. Maggie wird in die Bande aufgenommen. Dieses missfällt wiederum der einäugigen Patch [Monica Gayle], welche nach Haftentlassung der 'Dagger Debs' unverzüglich anfängt, gegen die neue Konkurrentin zu intrigieren. Dass sich Laces Freund Dom [Asher Brauner] in Maggie zu verlieben scheint, kommt ihr dabei gerade recht. Doch damit nicht genug der Anfeindungen: Als die konkurrierende Gang des schrägen Drogendealers Crabs [Chase Newhart] auf ihre Schule versetzt wird, bricht auch noch ein blutiger Bandenkrieg los.

Kritik:

Nachdem Jack Hill mit COFFY und FOXY BROWN Pam Grier zur ungekrönten Königin des Blaxploitation-Kinos erhoben hatte, widmete sich der Meister des kostengünstigen Leinwandspektakels den Schicksalen deutlich bleichgesichtigerer Slumbewohner und lies die BRONX-KATZEN los. Gewohnt realitätsfern und spekulativ ausschlachtend kredenzte er eine von obszönen Dialogen beherrschte, angenehm räudige Räuberpistole über eine frevelhafte Mädchenbande, die, zwischen internen Intrigen und kriegerischen Anfeindungen, im verruchtesten Viertel der Stadt ihren Mann stehen muss. Und obwohl der gefeierte B-Film-Regisseur zur Vorbereitung seiner Sause mehrere tatsächliche Bandenmitglieder interviewte und lange Zeit einen ernsthaften Themenbeitrag plante, entschied er sich letztendlich doch wieder für das, was er am besten konnte und servierte einmal mehr zwar anspruchsloses, aber überaus charmantes Bahnhofskino voll feinsten Rambazambas. Und während die seriöse Kritik erneut inbrünstig abwinkte, über Dilettantismus und Gewaltverharmlosung klagte, bot sich dem etwas weniger wählerischen Publikum abermals eine willkommene Abwechslung zu Schlöndorff und Shakespeare.

Alles Echauffieren über Mangel an Intellekt und Anstand wäre tatsächlich auch reinste Zeitverschwendung, denn SWITCHBLADE SISTERS (so der wohl bekannteste Titel) ist eigentlich purer Unfug und in keiner Weise ernstzunehmen. Das beginnt bereits bei Joanne Nail als Quasi-Hauptfigur Maggie, die, selbst im Frauenknast noch in Overknees und Hot Pants unterwegs, zwar einen optischen Leckerbissen erster Kajüte darstellt, doch niemals auch nur im Ansatz wie eine Person wirkt, die es mit einer ganzen Straßengang aufnehmen könnte. Andererseits wirkt auch Lace, die von Robbie Lee verkörperte Anführerin der rabiaten Truppe, alles andere als ehrfurchtsgebietend, sondern eher wie jemand, dem bereits die Tränen in die Augen steigen, wenn ihm die Plätzchen im Ofen anbrennen. So erwecken die angeblich so beinharten 'Dagger Debs' eher den Eindruck einer ungezogenen Sandkastenkombo, der man nur mal ein bisschen Wangenapplaus spendieren müsste, um sie wieder zur Besinnung zu bringen. Dass diese pseudocoole Püppchenparade eine der gefürchtetsten Gangs im ganzen Ghetto darstellen soll, glaubt man nicht eine einzige Sekunde.

Natürlich könnte man, sofern man gewillt ist, den Umstand, dass die taffen Mädels und Jungs, die tagtäglich fett einen auf dicke Hose machen, innerlich eigentlich verletzlich und voller Zweifel sind, auch als beabsichtigte Sozialkritik auffassen, und tatsächlich klingt etwas Ähnliches zumindest zeitweise durchaus an, wenn Dom, Freund von Lace und natürlich ebenfalls Anführer eines mehr oder minder knallharten Straßenmobs, ihr in einem haltlosen Emotionsausbruch entgegenschleudert: „Diese ganze verfluchte Gang kotzt mich an!“. Allzu weit aus dem Fenster lehnen sollte man sich aufgrund dessen allerdings trotzdem nicht: THE JEZEBELS (und noch ein Alternativtitel) ist und bleibt ein oberflächliches Bandendrama, das in Inhalt und Dialog über das Niveau einer gewöhnlichen Seifenoper zu keiner Zeit herauskommt und auch niemals einen reellen Versuch unternimmt, eine Erklärung für gesellschaftliche Probleme zu liefern. Als Dokumentation taugt das wahrlich nichts - als schicke Schmierenkomödie hingegen umso mehr.

Einmal mehr erhob Jack Hill Trivialität zur Tugend, indem er sie geradezu mustergültig zelebrierte: Ungelenke Schlägereien wechseln sich ab mit kitschigen Beziehungskisten, pubertäre Sex- und Gewaltphantasien mischen sich mit arglosem Geblödel. Ernste Themen verkommen dabei zu belanglosen Banalitäten, während Tötungen und Misshandlungen nahestehender Menschen lapidar, nach kurzem pflichterfüllendem Trauermoment fast schon schulterzuckend zur Kenntnis genommen werden. Auch Prostitution (denn natürlich schicken die Mitglieder der männlichen Gang ihre Freundinnen auf den Strich) wird hier zum feucht-fröhlichen Vergnügen, wenn die Dame (die zwar genervt ist vom langen 'Arbeitstag', aber ansonsten eigentlich keine nennenswerten Probleme hat) auf der Schultoilette dem nächstbesten Kunden zum Sonderpreis von nur fünf Dollar angeboten wird – selbst, wenn dieser eigentlich gar kein Interesse hegt: So kommt der Klassenstreber um die Ecke und wird vom zuständigen Zuhälter mit inbrünstig werbenden Worten in die Toilettenräume gestoßen, während der arme Junge lauthals protestiert, da er eigentlich dringend in den Chemieunterricht müsse. Die Geldbörse des unfreiwilligen Freiers behält der Kuppler dabei selbstverständlich gleich ein, um sich seine fünf Dollar höchstpersönlich einzuverleiben.

Momente wie dieser, die heiße Eisen zu harmlosem Entertainment degradieren, sind keine Seltenheit und machen DIE BRONX-KATZEN zu einem politisch höchst unkorrekten Vergnügen, das unverbesserlichen Moralaposteln zwar tüchtig die Pumpe hochtreiben dürfte, tatsächlich jedoch in seiner unverblümt naiven Weltsicht und kuscheligen Wohlfühlattitüde vorzügliche 70er-Jahre-Unterhaltung bietet, zumal auch die Gewaltdarstellung, bei Hill ohnehin immer eher gemäßigt, hier noch mal zusätzlich gezügelt wurde und explizite Brutalitäten nahezu völlig ausbleiben. Und um den ruchlosen Ereignissen auch noch den Rest an Schrecken zu nehmen, bevölkerte Hill sein Drehbuch zusätzlich mit einer erquickenden Vielzahl schreiend schriller Figuren, die das grausame Ghetto endgültig in ein quietschbuntes Kabarett verwandeln. Das gilt vor allem für den von Chase Newhart verkörperten Drogendealer Crabs, der mit kariertem Beinkleid, sternverzierten Hosenträgern und glitzerndem Herrenhemd aussieht wie ein lauwarmer Kanarienvogel und optisch vielleicht auf den Christopher Street Day passen würde, aber ganz bestimmt nicht als Gangsterboss in die Bronx.

Doch auch abseits von Modemerkwürdigkeiten und Charakterkuriositäten sind DIE BRONX-KATZEN ein Sammelbecken herrlich abstruser Albernheiten: Im Frauengefängnis herrscht natürlich eine dicke Matrone, die auch gern mal Hand an ihre Schäfchen legt („Besser, du kommst ihr nicht in die Quere - die ist scharf wie Affenscheiße!“), Drogenhändler jubeln ihren Stoff armen Kindern bei der Essensausgabe unter („Er macht sogar Kinder süchtig - mit präparierten Vitaminpillen!“), und der einzige Ort, an dem die harten Ghettogangster ihre Waffen ablegen, ist die örtliche Rollschuhbahn („Die Bahn ist neutrales Territorium“), an welcher sich die harten Jungs selbstverständlich einmal in der Woche treffen, um unbeschwert Rollschuh zu laufen. Und da es Hill auch nicht so ganz gelang, seine Blaxploitation-Affinität zu zügeln, mischt aus heiterem Himmel auch noch eine Horde afro-amerikanischer, militanter Frauenrechtlerinnen mit („Politische Power erwächst aus dem Lauf einer Knarre!“), weswegen am Ende dann auch wieder eine Black Mama die letzten Kohlen aus dem Feuer holen darf (wofür sie natürlich mit einem privaten Panzerfahrzeug anrollt – Erklärungen sind überflüssig!).

Kurzum: SWITCHBLADE SISTERS ist eine wirklichkeitsfremde, doch äußerst burleske Angelegenheit, deren Grundtenor, trotz einiger Entgleisungen (wie der Umstand, dass aus einer Vergewaltigung heraus romantische Gefühle resultieren) zudem unerwartet feministisch geriet. Natürlich wäre es maßlos übertrieben, zu behaupten, Hills Werk sei ein ernstzunehmendes emanzipatorisches Manifest, doch erweisen sich die weiblichen Figuren ihren männlichen Pendants gegenüber sowohl charakterlich als auch emotional als deutlich überlegen. So gibt es hier tatsächlich nicht eine einzige männliche Identifikationsfigur, so dass die Sympathien sich klar auf die Mitglieder der Mädchengang verteilen, welche dann auch schließlich erkennen, dass sie auf die Unterstützung des vermeintlich starken Geschlechts gar nicht angewiesen sind. „Hol dir einen Mann, wenn du was brauchst fürs Bett - dann wirf ihn weg!“, lautet die finale Quintessenz, ausgesprochen von der schwarzen Revoluzzerin Muff [Marlene Clark].

Das humorlose 'Lexikon des internationalen Films' gab sich mal wieder stocksteif und unterstellte den BRONX-KATZEN „ein Zeugnis menschenverachtender Gesinnung". Das ist nun freilich heillos übertrieben. Selbstverständlich ist und bleibt SWITCHBLADE SISTERS eine Billigproduktion (das Budget betrug lachhafte 320.000 Dollar und die Drehzeit gerade mal zwölf Tage), die mit spekulativen Elementen versucht, möglichst viel Umsatz zu machen und an der es auch formal Einiges zu bekritteln gäbe: So ist der Schnitt in den Actionszenen eine Katastrophe und auch die Choreographie kommt reichlich hüftsteif daher (man beachte vor allem die Gefängnisschlägerei, bei welcher sich die Personen bereitwillig in Positur stellen, um sich treffen zu lassen). Zudem schlagen manche Darsteller zeitweilen vollkommen über die Stränge und betreiben ein Overacting, dass die Bronx bebt (das gilt vor allem für die männlichen Darsteller, doch auch Joanne Nail übertreibt es in der Schlussszene maßlos).

Doch obwohl eine charismatische Hauptdarstellerin vom Schlage einer Pam Grier fehlt (Joanne Nail bleibt insgesamt deutlich zu brav), und manch ein Scherz in seiner Harmlosigkeit eher an bieder-deutschen Lustspielklamauk erinnert (so versteckt ein Bandenmitglied ein Unterhöschen in der Jacke ihres Lehrers – hach, wie rebellisch!), geriet Hills Ganovenstück zu einer runden Sache, die durchaus auch einige gelungene Regieeinfälle zu bieten hat (so erscheint der Schlusskampf zweier Mädchen lediglich als Schattenspiel an der Wand). Allen Defiziten zum Trotze geriet THE JEZEBELS somit geradezu unverschämt liebenswert und bietet trotz seiner ernsthaften Thematik jede Menge an Putzigkeiten. Dass die rabiate Schlägerbraut Patch einen Schmetterling auf ihrer Augenklappe durch die Gegend trägt, darf dabei ohne Weiteres als Metapher verstanden werden: Gewalt und Brutalität werden zum kindlich-unbekümmerten Ulk, der niemandem mehr wehtut. Somit versprühen DIE BRONX-KATZEN auf angenehme Art und Weise den unbeschwerten Zeitgeist ihrer Entstehung.

Die JEZEBELS laden ein zur großen Ghetto-Gaudi, und alle machen mit! Eine Handvoll schnuckeliger Schnecken schimpft, schlägt und ränkeschmiedet sich leidenschaftlich durch ein himmelschreiend absurdes Bandenkriegsszenario, und der bluesige Soundtrack groovt einem dazu die Hütte voll und schämt sich nicht mal. DIE BRONX-KATZEN sind nicht nur für Tierfreunde eine Empfehlung.

Laufzeit: 87 Min. / Freigabe: ungeprüft