Eigene Forschungen

Dienstag, 25. Februar 2014

FLYING SWORDS OF DRAGON GATE


LONG MEN FEI JIA
China 2011

Regie:
Tsui Hark

Darsteller:
Jet Li,
Zhou Xun,
Chen Kun,
Kwai Lun-Mei,
Mavis Fan Hiu-Huen,
Fan Siu-Wong,
Li Yu-Chun,
Gordon Liu Chia-Hui



Inhalt:
 
China, Ming-Dynastie: Zhao Huai'an [Jet Li] ist schlagkräftiger Anführer einer Untergrundorganisation, die mit eisernen Bandagen gegen die Staatsmacht und deren ungerechte Willkür kämpft. Dem machthungrigen Eunuchen Yu Huatian [Chen Kun] vom aufgrund seiner Skrupellosigkeit im ganzen Land gefürchteten West-Amt ist das natürlich ein Dorn im Auge, schielt er doch auf totale Kontrolle über alle Staatsgeschäfte. Zu seinem Ärger gibt es bereits einige Zhao-Nachahmer im Land. Eine davon ist Ling Yangiu [Zhou Xun], die ebensogut kämpfen kann wie ihr Vorbild. Eines Tages befreit sie die schwangere Su [Mavis Fan] aus den Händen von Yus Häschern und flieht mit ihr in die Wüste. Ihr Ziel ist der sagenumwobene Ort ‚Drachentor‘. Doch Yu erfährt von ihrem Plan und heftet sich mit einer großen Armee an ihre Fersen. Zhao, dem Ling inzwischen aufgefallen ist, beschließt, ebenfalls zum ‚Drachentor‘ zu reisen, um sie notfalls beschützen zu können. Bald kreuzen sich die Wege aller Parteien in der dort ansässigen Herberge, was zu einigen Auseinandersetzungen führt, zumal jetzt auch noch eine Horde trinkfester Mongolen und eine Gruppe undurchsichtiger Banditen tüchtig mitmischen. Während sich in der Herberge verschiedene Interessengruppen bilden, von denen jede ihr eigenes Ziel verfolgt, nähert sich draußen der ‚Schwarze Sandsturm‘, ein gigantischer Orkan, der alles hinwegzufegen droht …
 
Kritik:

Bei Tsui Hark ist es immer ein bisschen wie mit der berühmten Schachtel Pralinen: Vom wegweisenden Bahnbrecher [ONCE UPON A TIME IN CHINA] bis zum totalen Rohrkrepierer [BLACK MASK II] lieferte der nicht gerade für seine Entspanntheit bekannte chinesische Regisseur bereits so ziemlich alles ab, zwar immer mit einigem Unterhaltungswert versehen, doch qualitativ und inhaltlich dermaßen schwankend, dass man dafür fast den Begriff der 'cineastischen Schizophrenie' einführen müsste. Nicht nur allein aus diesem Grunde mit Spannung erwartet wurde daher der von ihm inszenierte und im Jahre 2011 fertiggestellte FLYING SWORDS OF DRAGON GATE – wie vom Titel bereits zaghaft angedeutet eine weitere Variante der ‚Drachentor‘-Legende, die 1967 mit King Hus Klassiker DIE HERBERGE ZUM DRACHENTOR ihre Leinwand-Premiere erlebte und 1992 mit NEW DRAGON GATE INN eine erste Frischzellenkur spendiert bekam. Sich gleichzeitig als Neuinterpretation und Fortsetzung verstehend, setzt das mit massig Computertechnik aufgemotzte Spektakel dennoch überwiegend auf klassische Motive und bietet eine lediglich rudimentär variierte Version wohlbekannter Genre-Elemente. So mangelt es, ganz der Tradition und Erfüllung der Erwartungshaltung verpflichtet, an Kampfgetümmel und Schauwert beileibe nicht: Bereits in der Eröffnungssequenz – nach sehnervkitzelnder einleitender Kamerafahrt über eine Armada im Hafen liegender Schiffe – fliegen dem Betrachter Pfeile, Planken und Baumstämme nebst von Schwerkraft befreiter Krieger um die Ohren, um ein fesches Action-Inferno zu entfesseln.
 
Nach solch knalligem Auftakt sind die Fronten auch bald abgesteckt, die Figuren vorgestellt, die Sympathien verteilt: Auf der einen Seite die böse Staatsmacht und Chen Kun [→ LET THE BULLETS FLY] als ihr noch böserer Vollstrecker, auf der anderen die guten Freiheitskämpfer mit Zhou Xun und Jet Li als Aushängeschilder. Bis die Fäden am ‚Drachentor‘ zusammenlaufen, dürfen die Figuren noch das eine oder andere Mal nach Herzenslust durch die Luft wirbeln, um sich in weiteren hyperkinetischen Scharmützeln nach allen Regeln der Kunst gegenseitig das Fressbrett zu polieren. Dabei fliegen beileibe nicht bloß Schwerter, sondern eigentlich alles, was sich irgendwie zwecks Tötung durch die Luft bewegen lässt: Bretter, Tische, Wurfsterne, Messerklingen, brennende Feuerbälle. Nach Einkehr in die Herberge wird die Action deutlich ausgebremst, dafür kommen noch mal eine Handvoll neuer Figuren hinzu – an sich nicht weiter tragisch, wird doch die Zeit zunächst zur Vorstellung der Personen und ihrer Motivation genutzt. Problematisch wird es erst, als zur Halbzeit von hier auf jetzt eine ebenso unpassende wie belanglose Liebesgeschichte dem eigentlichen Thema den Rang abläuft – während Fäuste und Schwerter schweigen, säuselt man sich urplötzlich Liebesschwüre ins Ohr, raunt einander Plattitüden zu und gibt sich unschönen Eifersüchteleien hin.
 
Nicht nur, dass die Dialoge dabei beschämend blöd gerieten – im starken Kontrast zur bisherigen Actionbetonung wirkt das unvorbereitete Geturtel gleich doppelt banal. Die parallel dazu eingeflochtenen Verwirrspielchen bieten zwar eine Plattform für einige ulkige Momente, spielen jedoch für die Handlung im Prinzip gar keine Rolle und führen im schlimmsten Fall sogar zu unnötiger Irritation des Publikums. Als kurz vor Ende quasi aus heiterem Himmel auch noch die Jagd nach einer legendären goldenen Stadt ins Zentrum der Handlung rückt, die bis dahin eigentlich kein Thema war, gewinnt man fast ein wenig den Eindruck, man hätte mittendrin versehentlich den Kanal gewechselt. Zwar lenkt einen das folgende Action-Gewitter überwiegend erfolgreich wieder davon ab, für die überraschende Wende, die einem zum Abschluss noch präsentiert wird, wäre die Bezeichnung ‚unplausibel‘ allerdings noch die harmlosere Variante.
 
Obwohl das Finale wieder versöhnlich viel Fahrt aufnimmt, wirkt es im Mittelteil somit ein wenig, als hätte sich Hark (welcher sich hier auch als Autor verantwortlich zeigte) ein wenig verzettelt. Ein sicheres Händchen bewies man hingegen bei der Besetzung: Die Hauptrolle bekleidet der weltweit etablierte Star Jet Li [→ DIE LEGENDE DER WEISSEN SCHLANGE], mit welchem Hark bereits zuvor seine größten Erfolge verzeichnen konnte und welcher seitdem äußerlich kaum gealtert erscheint, was zusätzlich an alte Glanzzeiten erinnert. Allerdings hat Li hier sogar vergleichsweise wenig zu tun und fidelt mehr auf zweiter Geige, während zumindest eine Zeitlang eher Zhou Xun [→ TRUE LEGEND] im Mittelpunkt stehen darf, die sich nicht nur häufiger als Mann ausgibt, sondern auch wie einer austeilen kann. Als augenzwinkerndes Schmackerl für Eingeweihte präsentiert die Eröffnungsszene mit Gordon Liu [→ THE MAN WITH THE IRON FISTS] noch eine weitere Legende des Kung-Fu-Films, der seit seiner Zeit als jugendlicher Heißsporn in den Produktionen der Shaw Brothers nichts von seiner Präsenz eingebüßt hat.
 
FLYING SWORDS OF DRAGON GATE hat gewiss seine Schwächen, was mit dem phasenweise etwas ziellosen Drehbuch beginnt und seine Fortsetzung in der eher bescheidenen Tricktechnik findet. Die asiatischen CGI-Zauberer waren ihren amerikanischen Kollegen schon immer unterlegen und Harks ‚Drachentor‘ bildet da keine Ausnahme. Auch die Inszenierung geriet ein wenig inkonsequent: Gibt es anfangs noch ein paar visuelle Spielereien zu begutachten, die das Comichafte unterstreichen (wie der Moment, in welchem sich um einen malträtierten Unhold bereits dessen Sarg manifestiert oder die eher albern geratene Szene, in welchem Zhao für sein Opfer gleich dutzende von Fäusten zu haben scheint), wird dieses Stilmittel nach der Eröffnungsschlacht schlichtweg wieder vergessen. Doch all das kann den Gesamteindruck nicht wesentlich trüben. Tsui Hark beweist, dass er, trotz einiger Gurken im Repertoire, sein Handwerk versteht. Spätestens, wenn der als Spannungselement fungierende herannahende Sandsturm sich in einem schwindelerregenden Spektakel entlädt und Jet Li und Chen Kun sich im Herzen des Orkans einen wahnwitzig übertriebenen Kung-Fu-Kampf liefern, ist jeder Kummer vergessen und es regiert die pure Lust am Rausch der Bilder. Die dritte ‚Drachentor‘-Variante mag mittig ein wenig stolpern, bietet jedoch dessen ungeachtet einen hochtrabend visuellen Augenschmaus, einen trotz entfesselter Kamera erfreulich übersichtlichen pompösen Bilderrausch von anständiger cineastischer Wucht.
 
Alles dreht sich, alles bewegt sich! FLYING SWORDS OF DRAGON GATE erreicht freilich nicht die Klasse eines ONCE UPON A TIME IN CHINA, doch bietet Freunden des epischen Kung-Fu-Films die nötige Dosis an Kampfgetümmel und laut krachender Attraktion. Nicht nur die Schwerter fliegen hoch!
 
Laufzeit: 117 Min. / Freigabe: ab 12

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