Eigene Forschungen

Mittwoch, 12. März 2014

IM SCHLOSS DER BLUTIGEN BEGIERDE


IM SCHLOSS DER BLUTIGEN BEGIERDE
BRD 1967

Regie:
Adrian Hoven

Darsteller:
Michel Lemoine,
Elvira Berndorff,
Janine Reynaud,
Claudia Butenuth,
Jan Hendriks,
Pier A. Caminnecci,
Howard Vernon,
Vladimir Medar



Adrian Hoven, als Schauspieler vorzugsweise jugendlicher Liebhaber im Nachkriegsdeutschland als redlich-reinlicher Schwiegermuttertraum einst berühmt-berüchtigt, begann ab Mitte der 60er Jahre selbst Regie zu führen und nutzte diese Möglichkeit, nicht völlig unwahrscheinlicherweise als notwendiges Ventil für sein blitzeblankes Saubermannimage, zur Inszenierung einer ganzen Reihe reichlich rüder Exploitation-Streifen, welche besagter Schwiegermutter einen vermutlich nicht unbedeutenden Strauß Albträume beschert haben dürften. Noch bevor Herr Hoven in dieser Funktion Hexen wahlweise schänden oder gar zu Tode quälen lies, lief er 1967 anständig warm und kreierte, wenn sich auch noch verschämt hinter dem putzigen Pseudonym Percy G. Parker versteckend, den reichlich obskuren Grusel-/Sex-/Kriminal-Hybriden IM SCHLOSS DER BLUTIGEN BEGIERDE, einen zwar etwas ziellosen, doch eindeutig engagierten Rundumschlag durch eine Mehrzahl einschlägiger Genres, der seine fiebrige Lust am Laster nur schwerlich zu verhehlen vermag.

Inhalt:

Im Hause Baron Bracks wird gefetet, bis es rauscht: Von beschwingtem Jazz begleitet nuckelt eine illustre Partyrunde heiter am Champagnerglas, während der Gastgeber selbst bereits neben der erstbesten Beschwippsten hockt, um sie mit eindeutig zweideutigen Worten zu betören: „Was halten Sie davon, wenn wir zusammen ausreiten?“ Der Baron verweist dezent auf sein nahegelegenes Landhaus, das sich für so einen Ritt bestens eignen würde. Glück gehabt: Die so lieblich Angesäuselte, auf den Namen Elena hörend, deutet mit dem dezenten Hinweis auf ihre fabelhaften Reitkünste so etwas ähnliches wie Interesse an.

Und während der Rest der Gäste sich im befreienden Rausch der Polonaise verliert (so sind sie, die feinen Herrschaften!), machen sich Herr Baron und seine Eroberung mehr oder minder unauffällig aus dem Staube, um auch noch während ihres nun folgenden rasanten Ritts Dialoggut vom Feinsten auszutauschen („Pferde und Champagner sind die drei schönsten Dinge im Leben!“ - „Das sind zwei Dinge. Und welches ist das dritte?“ - „Frauen natürlich!“ - „Hahahahaha!“). Dass man während dieses angeregten Gesprächs nur die wild galoppierenden Beine der Pferde sieht, soll wohl verschleiern, dass in Wahrheit gar nicht Baron Brack und seine Herzdame im Sattel sitzen, sondern stattdessen irgendwelche Leute, die tatsächlich reiten können.

An der angepriesenen Behausung angekommen, fällt der guten Elena plötzlich ein, dass sie eigentlich doch gar keine Lust auf Sex hat und das Ganze eher so als kleines Späßchen gedacht war. „Ich wollte nur spielen“, lautet ihre eher zaghafte und auch nur wenig überzeugende Erklärung. „Aber nicht mit mir“, antwortet der Gehörnte, spendiert eine Gratisrunde Backenfutter und zieht sich die Holde höchstpersönlich über den Dorn. Kaum geschehen, stehen plötzlich Schwester, Schwager und Verlobter der soeben Geschändeten auf der Matte, und haben zu allem Überfluss auch noch Bracks eigene Verlobte Marion und seinen Bruder George im Schlepptau. Diese ahnen natürlich nichts von der bösen Tat und setzen ihre feucht-fröhliche Feier ungeniert fort. Des Amüsements irgendwann überdrüssig kommt man schließlich am Kaminfeuer zusammen, um sich die Schauergeschichte des Grafen Saxon (französisch ausgesprochen) zu erzählen, von dem kaum jemand etwas weiß und der praktischerweise in nicht allzu weiter Entfernung auf seinem Schoss residiert. Dessen Tochter wurde erst vor wenigen Tagen überfallen, so weiß Marion zu berichten, und der Vater setzte aus Wut und Verbitterung darüber einen wilden Bären im Wald aus. Und noch während man so fabuliert, schleicht sich Elena, offenbar aufgrund der Vergewaltigung seelisch noch nicht ganz auf der Höhe, unbemerkt davon und galoppiert in den Wald (auf einem Pferd, versteht sich!).

Der Weg, man ahnt es irgendwie bereits, führt sie zu besagtem und titelgebendem Schloss. Baron Brack, Elenas Schwester (die übrigens auf den Namen Vera hört) und deren Verlobter (mit dem kaum minder schönen Namen Roger) nehmen die Verfolgung auf und werden vor den Toren des Gemäuers empfangen von Alecos, einem bulligen Torsteher mit selten dämlichem Pseudo-Russen-Akzent. „Frau ist in Schloss“, verkündet dieser mit brutal rollendem „r“ und erklärt sich trotz deutlich zur Schau getragener Antipathie bereit, die lästigen Gäste zu seinem Herren, Graf Saxon, vorzulassen. Als dieser die Treppe herunterkommt und Vera erblickt, fallen ihm vor Überraschung fast die Glupschaugen aus dem hochadligen Schädel:


Folgend erweist sich der Graf zwar als unnahbar, doch auch als unerwartet gastfreundlich, führt seine Besucher zunächst zur schlummernden Elena, die, so heißt es, ziellos durch den Wald irrte, und bietet dann an, bis zur Genesung der Frau im Schloss verweilen zu dürfen. Da poltert es plötzlich unsanft an der Tür und Maria und George, welche unerwarteterweise ebenfalls die Verfolgung aufnahmen, stoßen zur bunten Truppe. Als Graf Saxon Maria erblickt, reißt er schon zum zweiten Male an diesem Abend die Glotzbuchten auf und fällt fast vom Glauben ab.

Der Grund für derlei Betragen wird dann spätestens beim abendlichen Gruppenschlemmen klar: Vera erinnert ihn auf unerhörte Weise an die Mätresse seines Vorfahren und Maria gleicht geradezu fatal seiner Tochter Katharina, welche, nach einer schweren Vergewaltigung, an eben jenem Tage im Keller des Schlosses verstarb. Sich ein Röslein vom Tisch grabschend, entfernt sich der Graf nach einigen tiefsinnigen Gedankenspielen („Liebe erzeugt Leben, und Liebe hat das Recht zu töten.“) von der Tafelrunde und bewegt sich mit schlafwandlerischer Eleganz die Treppe hinauf.

Doch wer nun glaubt, der Graf bettet sich zur Ruhe, der irrt: Tatsächlich führt Saxon mit seinem renommierten Kollegen aus der Ärztekammer eine blutige Operation an dem Leichnam seiner Tochter durch, deren Herz, entgegen seiner Angabe, sie sei tot, noch höchst aktiv herumschlägt. Doch auch Baron Brack denkt gar nicht daran, sich friedlich aufs Ohr zu legen: Mit dem Hinweis, das Auto holen zu müssen, schwingt er sich aufs Pferd, um das Schloss schnellstmöglich zu verlassen. „Haben keine Angst vor Bär?“ ruft ihm Alecos mit bewährt rollendem „r“ noch hinterher, doch das scheint nicht der Fall zu sein, denn Brack reitet wortlos weiter in die Nacht.

Waren die Ereignisse bis hierhin zwar zeitweise verwirrend, doch immer noch bodenständig, wird es spätestens ab hier reichlich kryptisch: So träumt Elena, sichtlich erotisiert, Zeugin einer Vergewaltigung zu werden, als sich, angeblich zur Zeit des 30jährigen Krieges geschehend, drei betrunkene Soldaten (die in ihren Kostümen aussehen wie die Zweitbesetzung einer Schultheateraufführung der „Drei Musketiere“) im Stall über ein Mädchen hermachen (wobei es durch die etwas unsauber montierten Schuß-/Gegenschuß-Aufnahmen die meiste Zeit eher so aussieht, als würden die Männer einen Heuballen rammeln und die Frau lediglich schreiend daneben liegen). Aus dem Off erschallen dazu tatsächlich Shakespeare-Zitate, die dem Geschehen wohl eine Art Tiefsinn geben sollen. „Oh, du zertrümmert Meisterwerk der Schöpfung - was geißelst du die Hure? Peitsch dich selbst!“ schwelt es dort erhaben, während die Täter gleichzeitig Dinge rufen wie: „Ganz schöne Kraft, das Hühnchen!“

Durch diesen Traum offenbar ganz juckig geworden, beginnt Elena nun, es mit Roger zu treiben, der sich, obwohl seine Verlobte quasi im Nebenzimmer wissend, auch im Handumdrehen verführen lässt. Unterbrochen wird das Dauerkoitieren dabei immer wieder von den blutigen OP-Bildern (welche im Übrigen eine tatsächliche Herzoperation zeigen) und den angestrengten Gesichtern der beiden herumdoktornden Gesellen, die immer noch fleißig dabei sind, Saxons Tochter ihre wild pochende Pumpe herauszupfriemeln. Und gerade, als man sich nach 15minütiger Abfolge freiwilliger sowie unfreiwilliger Rammelei und schlüpfriger chirurgischer Detailaufnahmen zu fragen beginnt, ob das nun die gesamte Restzeit noch so weitergeht, kommt dieser unvergleichliche Moment, in welchem der geflüchtete Baron Brack unvermittelt und aus heiterem Himmel mit einem Mann im Bärenkostüm ringt.

Während in den Gemächern weiter gepimpert und in den Gewölben weiter operiert wird, taumelt der blutig getrimmte Baron zum Schloss zurück und wird dort vom Diener Alecos empfangen. Es folgt ein Glanzlicht dichterischer Rhetorik:

„Der Bär“, röchelt ihm der Geschundene erklärend zu.

„Ja, der Bär“, gibt dieser zustimmend nickend zurück.

Großartig! Und ein paar Minuten zuvor wurde noch Shakespeare zitiert.

Kritik:

Ähnlich sprunghaft geht es weiter bis zum Schluss, der nur wenig Überraschungen birgt und einen irgendwie auch nicht mehr so wirklich interessiert. Nach recht vielversprechendem Beginn zieht sich das Geschehen nämlich trotz eher geringer Laufzeit am Ende doch arg und scheint ein wenig seine Richtung verloren zu haben. Herr Hoven, welcher auch am Drehbuch mitschrieb, war offenbar der Meinung, die Schockwirkung einer authentischen Operation am offenen Menschenherzen sei bereits einschlagend genug, um das Publikum auch über weitere Strecken in Atem zu halten. So dehnte er die blutigen Bilder schier endlos in die Länge, während die paradoxen Zwischenschnitte auf Beischlaf und Bärenkampf fraglos einen absurd-skurrilen Reiz besitzen.

Wirklich aufregend geht es hier allerdings ohnehin nie so wirklich zu, IM SCHLOSS DER BLUTIGEN BEGIERDE punktet in seinen besten Momenten eher durch seine morbide Atmosphäre. Der Schauplatz, das düstere Gemäuer, wurde aus zahlreichen schrägen Perspektiven stimmungsvoll eingefangen, die Nebelmaschine ackert wie zu besten Edgar-Wallace-Zeiten und Kostüme wie Ausstattung sorgen für ein angenehm schauriges Kribbeln. In seiner Grundstimmung stark sexuell aufgeladen (ständig hat man das Gefühl, die Protagonisten würden am liebsten über sich herfallen wollen, um sich die Seele aus dem Leib zu vögeln), lässt sich ein frauenfeindlicher Unterton dabei nicht leugnen: Auf mehreren Zeitebenen wird hier vergewaltigt und getötet, zwar immer etwas zaghaft eingefangen und nie so explizit umgesetzt, wie man es wohl eigentlich gern gemacht hätte, sich jedoch trotzdem nicht unbedingt durch Geschmackssicherheit auszeichnend (auch, wenn die Schänder am Ende vor den Kadi gebeten werden).

Die Darstellerleistungen gerieten durchaus angemessen, die Schauspieler zählen sich insgesamt jedoch eher zur zweiten Garde. Der bekannteste Name auf der Besetzungsliste dürfte Howard Vernon sein, der hier als Graf Saxon wie wild die Augen aufreißen darf und sein markantes und nicht untalentiertes Gesicht in späteren Jahren fast ausschließlich nur noch für Vielfilmer Jess Franco in die Kamera hielt. Michel Lemoine, der später Pornofilme inszenierte, gibt den Baron Brack in einer hübschen Mischung aus aristokratischem Charme und tückischer Verschlagenheit, tatkräftig unterstützt von der süffisanten Stimme von Synchronlegende Gert Günther Hoffmann. In weiteren Rollen sieht man Elvira Berndorff als Elena, die dramaturgisch sinnlos einige Male ihre textilbefreiten Hupen ins Bild halten darf, und Janine Reynaud als ihre Schwester Vera, die in einer Szene nur wenig erotisch am Hühnchenknochen herumknabbert. Adrian Hoven selbst tritt zumindest verbal in Erscheinung und leiht Jan Hendriks als George seine Stimme.

Die Mischung aus gotischem Schauermärchen und Motiven des Sexfilms (und das noch vor der großen Welle) gehört nun nicht unbedingt zu den Höhepunkten des deutschen 60er-Jahre-Kinos, geriet jedoch in seiner experimentierfreudigen Sensationsgier angenehm verschroben. Angereichert mit den für die Zeit typischen humoristischen Dialogen und klassischen Krimi-Elementen dürfte Adrian Hovens mit nostalgischem Kintopp-Flair angefülltes Lustschloss für Interessenten des schrägen Leinwandvergnügens zumindest den einen oder anderen Blick wert sein.

Laufzeit: 76 Min. / Freigabe: ungeprüft

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