Eigene Forschungen

Samstag, 3. Mai 2014

THE RIFFS - DIE GEWALT SIND WIR


1990 – I GUERRIERI DEL BRONX
Italien 1982

Regie:
Enzo G. Castellari

Darsteller:
Mark Gregory,
Stefania Girolami Goodwin,
Joshua Sinclair,
Rocco Lerro,
Fred Williamson,
Vic Morrow,
Christopher Connelly,
George Eastman



„In der Bronx ist das Leben weniger wert als ein müder Joint. Da geht der Tod mit ner mächtig großen Harke durch.“
[Der Trailer informiert]


Inhalt:

1990: Die Bronx wurde zum ‚Niemandsland‘ erklärt. Die Behörden haben jede Bemühung, Recht und Ordnung wieder herzustellen, aufgegeben. Stattdessen beherrschen nun verschiedene Gangs das Gebiet. Eine davon sind die 'Riffs', die auf betotenschädelten Motorrädern durch die Gegend kesseln und vom muskelbepackten 'Trash' [Mark Gregory] angeführt werden. Eines Tages retten Trash und seine Männer die junge Ann [Stefania Girolami Goodwin] vor einem Gewaltverbrechen. Ann kommt aus reichem Hause und ist aus dem gutsituierten Manhattan in die Bronx geflüchtet, um den kapitalistischen Zukunftsplänen ihres herzlosen Vaters zu entkommen. Dieser hegt natürlich den innigen Wunsch, sie aus dem Hort der Gesetzlosigkeit zurückzuholen und engagiert den für seinen Wahnsinn berüchtigten Polizisten Hammer [Vic Morrow], der selbst von seinen Kollegen gefürchtet wird. Die 'Riffs' sehen nur eine Möglichkeit: die Zusammenarbeit mit der verfeindeten Gang von Ogre [Fred Williamson]. Eine gefährliche Reise durch das gewaltzersetzte Land beginnt.

Kritik:

THE RIFFS ist ein weiterer lupenreiner Beitrag zum italienischen Trivialkino der 80er Jahre, dessen Zielsetzung es war, es ungleich größeren amerikanischen Vorbildern nachzueifern, um in deren Fahrwasser noch ein paar Lire in des Produzenten Portokasse zu befördern. Walter Hills rüder Gangstreifen THE WARRIORS war es hauptsächlich, der dieses Mal Pate stehen durfte und mit diversen Elementen ähnlich gearteter Erfolge angereichert wurde. Ganz ohne Scham kreiert das Drehbuch auf diese Weise ein angenehm-schmuddeliges, von apokalyptischer Weltuntergangsstimmung geprägtes Endzeitszenario mit einer Fülle schräger Figuren und Frisuren, das trotz seiner unbestrittenen Realitätsferne ein eigentümlich-authentisches Flair versprüht. Das liegt vor allem daran, dass überwiegend an Originalschauplätzen in den USA gedreht wurde (wenn auch immer mal wieder Brooklyn die Bronx doubeln darf) und man einen Großteil der Gangmitglieder mit tatsächlichen Gangmitgliedern der Hells Angels besetzte.

Mag die zu Grunde liegende Intention auch eindeutig sein, wäre es dennoch vermessen, THE RIFFS einfach nur als simples Abziehbild begreifen, besitzt das engagierte Werk doch genug eigenen Charakter, um sich vom Vorwurf des plumpen Plagiats ausreichend distanzieren zu dürfen. Bereits eine der ersten Szenen ist in ihrer individuellen Einzig- und Eigenartigkeit nahezu unschlagbar: Eine gepfählte Leiche liegt am Ufer des East River, ein Schlagzeugspieler sitzt samt Instrument daneben und trommelt coole Beats, während die 'Riffs' (die im Original eigentlich die 'Riders' heißen) dazu in ihrer absonderlichen Montur ergriffen Spalier stehen und melancholisch in die Ferne starren. Die fetzige Montage dieser Sequenz, welche ihre extravaganten Bilder taktgenau aneinanderreiht, sowie die teils ungewöhnlichen Perspektiven, aus welchen diese eingefangen sind, rockt in ihrer verschrobenen Mischung aus schrägem Surrealismus, künstlerischem Anspruch und sonderbarer Sinnbefreitheit bereits tüchtig die Hütte. Etwas später stehen die Bandenmitglieder am selben Ufer, um, dieses Mal begleitet von infernalischem Schrammelrock, die Asche ihres verblichenen Gefährten hinaus in den Fluss zu streuen – eine nahezu unverschämt blindwütige Romantisierung eskapistischen Aussteigertums.

Bereits hier hat THE RIFFS gewonnen, wenngleich sein stärkstes Pulver auch schon verschossen. Die folgende Story über Aufwiegelung zum Bandenkrieg, Verrat in den eigenen Reihen und Korruption von außerhalb bleibt unerwartet ungeschlossen, die Reise ihrer Protagonisten insgesamt eher ereignisarm. Etwaige Hindernisse sind schnell überwunden, retardierende Momente kaum der Rede wert. Zudem werden die Beweggründe der Figuren vom Skript überwiegend im Nebel gelassen. Warum Ann aus der sicheren Welt des Reichtums ausgerechnet in die gewalttätige Bronx flieht, wird ebenso unzureichend erklärt wie die Frage, was genau an dem gefürchteten Polizei- und Gangsterschreck Hammer nun eigentlich so entsetzlich sein soll, verhält er sich im Prinzip doch auch nicht weniger skrupellos als der ganze Rest. Nun erwartet man in der Regel von einem Beitrag wie diesem nicht zwangsläufig bis ins Mark ausgefeilte Zusammenhänge, doch kommt man nicht umhin zu sagen, dass hier durchaus vorhandenes Potential verschenkt wurde. 

Dass das Geschehen dennoch anständig bei Laune hält, liegt vor allem daran, dass THE RIFFS das, was ihm an Spannung fehlt, durch seine besondere Atmosphäre locker wieder wettmacht. In charmant-ranzigem Umfeld präsentiert sich eine illustre Parade skurriler Gestalten in flotten Klamotten, die das an sich düstere Bandendrama bisweilen in einen grellbunten Comicstrip verwandeln. Die dazu stattfindenden Actionszenen wirken zwar teilweise ein wenig holprig in Szene gesetzt (was vor allem für die Kampf-Choreographie gilt), doch gefallen trotz allem durch ihre unbefangene Ruppigkeit. Das Finale schließlich schlägt angenehm über die Stränge, präsentiert eine Armada berittener Gesetzeshüter, die ihre Gegner entgegen jeder Logik mit Flammenwerfern malträtieren, und zelebriert blutige Schuss- und Stichwechsel zwischen Opferbereitschaft und Heldentod.

Unverbesserlichen Spöttern wird dabei gewiss jede Menge Angriffsfläche geboten, läuft man den Sehgewohnheiten der Masse doch von Grund auf zuwider. So wirken die 'Riffs' mit ihrem lächerlichen Aufzug (inklusive leuchtender Plastiktotenköpfe auf den Motorradlenkern) weniger wie eine wirkliche Gefahr, sondern vielmehr wie eine Horde ungezogener Jungs, die mal so richtig einen auf dicke Hose machen möchte. Und dafür, dass die Bronx ein Schmelztiegel der Gewalt sein soll, geht es hier insgesamt doch ziemlich gesittet, teilweise fast schon gemütlich zu. Dass man den Hauptcharakter in sympathischer Selbstironie ‚Trash‘ taufte, nimmt manchem Kritiker natürlich schon im Vorfeld etwas Wind aus dem Segel, tatsächlich jedoch ist von eben diesem trotz aller Banalität verblüffend wenig vorhanden. Sicherlich mag es ein paar Miesepeter geben, die Straßengangs, die mit Rollschuhen und Hockeyschlägern unterwegs sind oder stepptanzend eiserne Melonen auf ihren geschminkten Häuptern tragen, als müllig bezeichnen würden, doch in diesem Genre und während dieser Periode hat man tatsächlich schon sehr viel härtere Kaliber erlebt.

Die Hauptrolle des fröhlichen Unfugs ging an den davor (und auch noch danach) völlig unbekannten Mark Gregory [THUNDER]. Der damals gerade mal 17 Lenze zählende Jüngling wurde der Legende nach direkt aus dem Fitnessstudio heraus gecastet und verkörpert die Titelfigur ‚Trash‘ als muskelbepackte Supertucke mit offenem Hemd, hautenger Hose und lobenswertem Hang zum Zweitgesichtsausdruck. Ihm gegenüber steht ausgerechnet Fred Williamson [→ GIANT KILLER], einer der ungekrönten Könige des B-Movies, der selbst, wenn er gar nichts macht, noch besser spielt als alle anderen. Locker steckt er auch hier wieder die komplette Restbesetzung in die Tasche, lässt eine Spruchsalve nach der nächsten raus und ist lässig genug, sich selbst im Angesicht des drohenden Flammentodes noch eine Zigarre anzustecken. Dazu sind mit Vic Morrow [→ STERNENKRIEG IM WELTALL] als grimassierender Nazibulle, George Eastman [→ DJANGO UND DIE BANDE DER GEHENKTEN] als Bandenführer im Mongolenkostüm und Christopher Connelly [→ DIE JÄGER DER GOLDENEN GÖTTIN] als zwielichtigem Grenzgänger noch ein paar nicht vollkommen unbekannte Mimen an Bord, die ihren Stiefel artig herunterspielen.

Auf dem Regiestuhl nahm mit Enzo G. Castellari ein echter Routinier Platz, der von Western [→ TÖTE ALLE UND KEHR ALLEIN ZURÜCK] über Kriegsabenteuer [→ EIN HAUFEN VERWEGENER HUNDE] bis zum Polizeikrimi [→ DER TAG DER COBRA] so ziemlich jedes Genre zuverlässig beackerte und hier seine halbe Familie auf die Besetzungsliste hievte: Seine Tochter Stefania Girolami [METROPOLIS 2000] ist als Ann zu sehen, sein Bruder Enio Girolami [DIE RÜCKKEHR DER WILDGÄNSE] gibt den bösen Waffenfabrikanten und er selbst dessen korrupten Anwalt.

THE RIFFS ist wunderbar launiges Actionkino aus zweiter Reihe, dessen siffige Endzeitatmosphäre auf eine quietschbunte Comicästhetik trifft. Angereichert mit ein paar garstigen, wenn auch nicht übermäßig expliziten Brutalitäten und attraktiven Western- und Horrorelementen, gelingt dem durchaus ambitionierten Ghetto-Reißer das Kunststück, im selben Atemzug sowohl DIE KLAPPERSCHLANGE als auch UHRWERK ORANGE zu zitieren, ohne dabei seinem schrulligen Stil untreu werden zu müssen. Ein paar uninspirierte Humoreinlagen (wie der Betrunkene, der anfangs ein paar Mal sinnlos durch die Gegend taumelt) sowie das provozierende Ins-Bild-Rücken von Hakenkreuzen zu Beginn hätte man sich zwar schenken können, dem Vergnügen jedoch ist das kaum abträglich. Das Publikum sah das wohl ähnlich, kam es doch nur ein Jahr später zur fortsetzenden FLUCHT AUS DER BRONX. Und sogar das bei Trash-Freunden berühmt-berüchtigte 'Lexikon des Internationalen Films' sprach seine Empfehlung aus: „Brutal und gewaltverherrlichend.“ So einfach kann man das zusammenfassen.

Laufzeit: 89 Min. / Freigabe: ungeprüft

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