Eigene Forschungen

Samstag, 2. Mai 2015

DER TEPPICH DES GRAUENS


DER TEPPICH DES GRAUENS
BRD, Italien, Spanien 1962

Regie:
Harald Reinl

Darsteller:
Joachim Fuchsberger,
Karin Dor,
Werner Peters,
Carl Lange,
Lorenzo Robledo,
Eleonora Rossi Drago,
Antonio Casas,
Roberto Rey



Inhalt:

Ann Learner [Karin Dor] findet ihren Onkel tot auf dem Teppich seines Wohnzimmers vor. Der renommierte Dechiffrier-Experte starb durch ein noch unerforschtes indisches Gift. Der spitzbübische Geheimagent Harry Raffold [Joachim Fuchsberger] bietet der jungen Frau seine Hilfe bei der Aufklärung des Falles an. Gemeinsam finden sie heraus, dass eine Bande skrupelloser Diamantenhändler ihre Finger im Spiel hat und gefährliche Mitwisser zur Strecke bringt. Als immer mehr Leute auf die gleiche Art und Weise sterben, gerät auch das Leben der beiden Ermittler in Gefahr. Eine heiße Spur führt schließlich in die Pension der undurchsichtigen Mabel Hughes [Elenora Rossi Drago], wo Harry auf den zwielichtigen General Gregory [Carl Lange] trifft. 

Kritik:

„Wer Edgar Wallace liebt, wird auch von Weinert-Wilton begeistert sein“, versprach 1962 das Plakat zu DER TEPPICH DES GRAUENS, und damit dürften Absicht, Antrieb und Ausrichtung der Macher bereits hinreichend umrissen sein. Nachdem Produzent Horst Wendlandt mit seiner 1959 begonnenen Edgar-Wallace-Reihe achtbare Erfolge feiern konnte, dauerte es nicht lang, bis der Constantin-Verleih sich nach weiteren Möglichkeiten umsah, um erfolgreich die Nebelmaschinen anzuschmeißen. Fündig wurde man bei dem in Böhmen geborenen Schriftsteller Louis Weinert-Wilton, der eigentlich Alois Weinert hieß und in den 20er Jahren von Prag aus begann, in Londons Unterwelt angesiedelte Kriminalromane zu schreiben. Und da diese bereits fleißig die Konzepte des britischen Vorbilds kopierten, war das natürlich der ideale Stoff, um darauf basierend einen brauchbaren Wallace-Epigonen für die Leinwand zu zimmern.

Dabei ging man insgesamt auf Nummer sicher und überließ nur wenig dem Zufall: Nicht nur Stil und Konstruktion wurden möglichst originalgetreu annektiert, auch die Darsteller lieh man sich kurzerhand von der Vorlage, um einen möglichst hohen Wiedererkennungswert zu gewährleisten. Joachim Fuchsberger und Karin Dor in den Hauptrollen gehörten zur Wallace-Stammbesetzung und reproduzierten ihre für die Reihe typischen Figuren hier quasi 1:1, während man auch beim Nebenpersonal auf überwiegend vertraute Gesichter setzte. Und um das Maß vollzumachen, setzte man auch noch Harald Reinl auf den Regiestuhl, der drei Jahre zuvor mit DER FROSCH MIT DER MASKE den ersten Beitrag der Edgar-Wallace-Reihe inszenierte und somit für deren Erfolg in entscheidender Funktion mitverantwortlich war. Originalitätspunkte verdient das freilich nicht, und so überrascht es dann auch nur wenig, dass das Endprodukt in keiner Sekunde verbergen kann, was es eigentlich ist: ein unoriginelles Abziehbild ohne eigene Ideen oder Raffinesse.

Nun war die Edgar-Wallace-Reihe zu diesem Zeitpunkt allerdings auch schon längst ihr eigener Imitator. Bis 1962 entstanden in einem Zeitraum von drei Jahren immerhin satte zwölf Verfilmungen, welche die bewährten Mechanismen und Inhalte immer wieder neu durchexerzierten und in der Regel nur rudimentär variierten. Da das Publikum in der Mehrheit dennoch treu blieb, gab es natürlich auch keinen großartigen Grund, an der gängigen Praxis etwas zu ändern. Und so liefert DER TEPPICH DES GRAUENS das durchaus schmackhafte Basisfutter, inszeniert in der liebgewonnenen Gratwanderung zwischen Sachverstand und Naivität. Trotz des Titels geht es dabei allerdings nicht um einen meuchelnden Bettvorleger, der nachts durchs Wohnzimmerfenster steigt und sich hinter dem Vorhang versteckt, um darauf zu warten, dass sein Opfer ans Telefon geht. Im Grunde genommen geht es noch nicht einmal um einen Teppich. Stattdessen schleicht hier ein Mörder durch die Kammern, dessen geschleuderten Giftkügelchen auf gewebtem Bodenbelag erst so richtig ihre tödliche Wirkung entfalten. Man wird einfach das Gefühl nicht los, dass zunächst der Titel stand und erst im Anschluss versucht wurde, diesem auf Biegen und Brechen einen inhaltlichen Bezug zu verleihen.

Die Jagd nach dem Täter läuft in den gewohnt realitätsfernen Bahnen eines seichten Groschenromans: Anschläge, Entführungen, Schlägereien und Verfolgungsjagden in zirkulierender Endlosschleife, niemals ausnehmend aufregend, aber stets angenehm die Zeit vertreibend. Die Schwarz-Weiß-Bilder sind stimmig, die Atmosphäre leicht märchenhaft angehaucht und der Sound konträr dazu von schmissiger Lässigkeit. Das Team um Harald Reinl arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits in einer routinierten Perfektion, die sich sehen lassen kann. Unvermeidbar waren dabei natürlich auch die üblichen Rollenklischees, die das Ganze eindeutig als ein Kind seiner Zeit überführen. Die Lausbubenattitüde Joachim Fuchsbergers mag damals vielleicht pfiffig gewirkt haben, aus zeitlicher Distanz betrachtet wirkt er hingegen wie ein alberner Geck mit notorischem Hormonstau. An seiner Seite präsentiert sich Karin Dor einmal mehr als zunächst schnippische junge Dame, deren Selbstbewusstsein und Schlagfertigkeit bald zerbröseln, um als schutzbedürftiges Reh zu enden und sich im Nullkommanichts völlig unmotiviert in den Helden zu verlieben. Als dieser ihr nach gefühlten fünf Minuten Bekanntschaft aus heiterem Himmel einen Heiratsantrag macht, entfährt ihr nichts weiter als ein überraschtes „Ui!“. In der Welt von Louis Weinert-Wilton bedeutet dies ‚Ja‘.

Dazu gesellt sich ein unterschwelliger Rassismus, der zwar gewiss nicht boshaft motiviert, sondern eher zeitgenössischer Gedankenlosigkeit geschuldet sein dürfte, in aufgeklärteren Zeiten jedoch einen leicht bitteren Nachgeschmack hinterlässt. Ein unerforschtes Gift kann natürlich nur von einer skrupellosen Geheimorganisation aus Indien zusammengebraut worden sein, und eine der Hauptverdächtigen ist schon allein deswegen dubios, weil sie als Halbasiatin vorgestellt wird (obwohl besagte Dame nicht mal zu einem Hundertstel asiatisch aussieht, aber ein paar leicht exotisch angehauchte Züge genügten damals wohl, um fremdartigen Schauer auszulösen). In den dicksten Fettnapf jedoch stapfte man mit der Darstellung von Harrys Assistenten Sam. Zwar war es grundsätzlich fortschrittlich, dass man einem Dunkelhäutigen in völliger Selbstverständlichkeit eine positive Rolle zuschanzte, doch gestaltete man den Charakter als radebrechende (zudem auch noch von extrem dämlicher Synchronstimme verunstaltete) Witzfigur, die von ihrem Herrchen ohne jeden Respekt herumkommandiert wird und der man ein unfallfreies Essen mit Messer und Gabel nicht zutrauen würde.

Derartige Entgleisungen mögen zwar das Bild ein wenig trüben, wirklich schaden können sie dem TEPPICH DES GRAUENS allerdings auch nicht. Dazu kann man das naive Geschehen ohnehin viel zu wenig ernst nehmen. Wäre man tatsächlich gezwungen, einen Unterschied zur inspirierenden Edgar-Wallace-Serie anzuführen, würde man wohl am ehesten erwähnen, dass der Grusel hier weniger durch Moor, Nebel und Kostümierung erzeugt werden soll, sondern vielmehr durch die scheinbare Allmacht des Bösen, das seine Augen und Ohren überall zu haben scheint. Das Element der im Geheimen agierenden Gangsterbande, die die Identität ihres mysteriösen Chefs selbst nicht kennt und dessen Befehle lediglich als Textnachrichten auf dem Bildschirm empfängt, erinnert zudem an eine weitere erfolgreiche Krimi-Reihe dieser Zeit: die um den unsterblich scheinenden Superverbrecher „Dr. Mabuse“.

DER TEPPICH DES GRAUENS ist letztendlich weder besonders grauenvoll, noch in irgendeiner Weise sonderlich meisterhaft gewebt. Ohne nennenswerte künstlerische Ambitionen entstand stattdessen ein solide in Szene gesetzter Durchschnittskrimi, der sich kaum formale Schwächen erlaubt und dem Publikum schlichtweg das bot, worauf es damals Appetit hatte. Vollkommen unerfolgreich war man trotz (oder gerade wegen) der recht unverhohlenen Wallace-Anbiederei nicht, so dass immerhin drei weitere Wilton-Verfilmungen (natürlich wieder nach gleichem Strickmuster) folgten. Freunde dieses durchaus stilbildenden Genres verzeihen dessen immergleichen Schemata nicht nur, sie verlangen sogar danach. Harald Reinls Beitrag besitzt dabei bei aller Routine genügend Charme und Kompetenz, um nicht einfach unter den Teppich gekehrt zu werden.

Laufzeit: 88 Min. / Freigabe: ab 16

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