Eigene Forschungen

Montag, 22. Juni 2015

DAS GEHEIMNIS DER VIER KRONJUWELEN


EL TESORO DE LAS CUATRO CORONAS
Spanien, USA 1982

Regie:
Ferdinando Baldi

Darsteller:
Tony Anthony,
Lewis Gordon,
Jerry Lazarus,
Kate Levan,
Ana Obregón,
Gene Quintano,
Francisco Rabal,
Emiliano Redondo



„Das faszinierende, einzigartige Abenteuer in Wonder-Vision 3D“

So verkündete einst das Plakat, und das lässt natürlich aufhorchen. Dieses berühmte 'Wonder-Vision 3D' ist ja bekanntlich eine echte Hausnummer. Doch als DAS GEHEIMNIS DER VIER KRONJUWELEN beginnt, wähnt man sich zunächst im falschen Film. Erwartete man eigentlich die Sparflammen-Variante von INDIANA JONES, sieht stattdessen plötzlich alles aus wie STAR WARS, als sich noch vor dem eigentlichen Vorspann eine etwas unsauber hochgezogene Rollschrift durchs Bild quält. Was sie in ihrem rührend holprigen Englisch verkündet, macht jedoch einiges an Hoffnung: 

„Es gibt Dinge im Universum, die der Mensch niemals verstehen wird, Mächte, die er niemals beherrschen wird, und Kräfte, die er niemals kontrollieren wird. Die vier Kronen gehören dazu. Nun hat die Suche begonnen. Ein Glücksritter wagt den ersten Schritt. Er sucht den Schlüssel, der die Macht der vier Kronen befreien und eine Welt entfesseln wird, in der Gut und Böse aufeinandertreffen.“

Hört, hört! Wirklichen Sinn ergibt das zwar nicht, aber neugierig macht es trotzdem. Besagter Glücksritter tritt dann auch umgehend in Erscheinung: J. T. Stryker - ein Abenteurer, wie er im Drehbuche steht. Noch während der Vorspann läuft, dringt er in eine alte Festung ein, turnt durch unterirdische Höhlen, wird von flatternden Pappmasché-Sauriern attackiert, erwehrt sich allerhand anderen exotischen Getiers (wie z. B. Geier, Schlangen oder sogar Hunde!), weicht Giftpfeilen und Feuerbällen aus und findet am Ende schließlich ein waschechtes Skelett aus dem Biologieraum um die Ecke nebst irgendeinem wertvollen Klimmbimm. Zu guter Letzt erwachen plötzlich die ganzen alten Rüstungen um ihn herum zum Leben und final explodiert dann alles. Ein ganz normaler Tag im Leben eines Schatzjägers also. Doch kaum wieder zurück, beginnt erst das eigentliche Abenteuer:

Inhalt:

Tausendsassa J. T. Stryker [Tony Anthony] bekommt von seinem Freund, Professor Montgomery [Francisco Villena], einen neuen Auftrag: Er soll die magischen vier Kronjuwelen finden, die der größenwahnsinnige Sektenführer Jonas [Emiliano Redondo] an sich gerissen hat. Ihrem Besitzer verleihen die Steine magische Kräfte, mit deren Hilfe man die ganze Welt ins Unheil stürzen könnte. Stryker weigert sich zunächst, aber gute Argumente verfehlen ihre Wirkung nie. Da solch eine Reise allein aber natürlich nur wenig Spaß macht, beschließt der alternde Abenteurer, seine damaligen Gefährten wieder zu reaktivieren: den mittlerweile als Clown arbeitenden Sokrates [Francisco Rabal] und den zwischenzeitlich dem Alkohol verfallenen Rick [Jerry Lazarus]. Ihnen schließt sich spontan noch die Trapezkünstlerin Liz [Ana Obregon] an. Gemeinsam dringen sie in das geheimnisvolle Gemäuer ein, in dem sich Jonas mit seinen Jüngern verschanzt hat, um dort den ganzen Tag lang merkwürdige Rituale abzuhalten. Doch den Schatz an sich zu bringen, erweist sich schließlich als schwieriger als erwartet.

Kritik:

Nichts Neues also an der Abenteuer-Front und schon gar nichts Originelles, aber dennoch eine vernünftige Basis, um darauf ein brauchbares INDIANA JONES-Imitat zusammenzuzimmern. Doch der bunte Budenzauber erweist sich als ziemlicher Blender, der den anfänglichen Versprechungen im weiteren Verlauf nicht gerecht werden kann. Nach der im Verhältnis viel zu langen Exposition, in welcher das Team zusammengetrommelt wird, geht es quasi auf direktem Wege in die feindliche Festung (in die man ohne jede Schwierigkeit einfach hineinspaziert), um den Schatz (von dem auch niemals so richtig klar wird, worin denn nun eigentlich dessen magischen Kräfte bestehen) an sich zu bringen. Ab hier entpuppt sich DAS GEHEIMNIS DER VIER KRONJUWELEN statt als Abenteuerfilm viel mehr als klassisches 'Caper-Movie', als Einbruchsfilm in RIFIFI-Manier - nur, dass das zu enternde Juweliergeschäft hier gegen eine mittelalterliche Burg eintauscht wurde. Auch so etwas kann natürlich sehr spannend sein, doch wird daraus ebenfalls herzlich wenig gemacht: ein bisschen Gehangel hier, ein bisschen Geschaukel dort, dazu ein bisschen Geschwitze und Gestöhne, aber stets ohne das nötige Gespür dafür, damit auch Nervenkitzel zu erzeugen.

Das liegt natürlich auch daran, dass einen das Schicksal der Protagonisten ohnehin kaum tangiert und es einem somit schlichtweg egal ist, ob hier einer den Löffel reichen muss oder nicht. Eine ausführliche Psycho-Studie erwartet natürlich niemand, aber ein wenig mehr als simple Zweckmäßigkeit hätte man den auftretenden Parteien schon zugestehen können. So erfährt man von einem der Teilnehmer, Rick, eigentlich nur, dass er Alkoholiker ist, womit die Charakterzeichnung dann auch schon beendet wäre. Wie, warum und weshalb spielt keine Rolle. Das einzige Individuum, das zumindest im Ansatz interessant geriet, ist die tragische Figur des alternden Schaustellers Sokrates, für welchen es so oder so das letzte große Abenteuer wird, da er nicht mehr lange Zeit zu leben hat. So kommt es, dass ausgerechnet ein Moment, der ohne jeden Trickeffekt oder Actioneinschub daherkommt, zum Höhepunkt des Ganzen wird: Der melancholische Abschied des traurigen Clowns von seinem Kollegen wirkt unerwartet ergreifend und lässt erahnen, wie viel Potential hier im Grunde eigentlich verschwendet wurde.

Tatsächlich ging es den Produzenten ja aber auch gar nicht darum, wirklich packenden Stoff abzuliefern. DAS GEHEIMNIS DER VIER KRONJUWELEN ist allzu offensichtlich nur entstanden, um noch ein wenig vom damals bereits zum zweiten Male grassierenden 3D-Boom zu profitieren. Das hatte für das selbe Team im Vorjahr mit ALLES FLIEGT DIR UM DIE OHREN bereits gut funktioniert und sollte sich nun, in Kombination mit der gezielten Anspitzung abenteuerlustiger INDIANA JONES-Fans, ein zweites Mal rentieren. So kommt es dann auch, dass alle zwei Minuten irgendjemand irgendetwas angestrengt in Richtung Kamera hält, was in seiner Penetranz auf Dauer ziemlich an den Nerven sägt. Dabei ist die Grundidee im Prinzip tatsächlich gut dazu geeignet, möglichst viele 3D-Effekte unterzubringen: Pfeile, die in Richtung des Betrachters schießen, Schlangen, die sich zischend und züngelnd auf das Publikum zubewegen, und an Seilen hängende Protagonisten, die dem Zuschauer entgegenbaumeln. Und weil das noch nicht reichte, brachte man zusätzlich noch eine Artistentruppe in der Handlung unter, die minutenlang tollkühne Kunststückchen am Trapez vorführen darf. Doch ist es hier eindeutig ein wenig zu viel des Guten: Viele der Szenen wirken lachhaft bemüht, werden endlos ausgewalzt und bleiben teilweise (wie ein mittiges magisches Rambazamba inklusive in Zeitlupe fliegender Schlüssel und zuckender Blitze) auch ohne jede Erklärung.

Der Amerikaner Tony Anthony, dessen Gesicht zuvor durch eine Handvoll Italo-Western bekannt wurde, war in die Produktion von DAS GEHEIMNIS DER VIER KRONJUWELEN maßgeblich involviert, so dass es gewiss kein Zufall ist, dass seine Figur immer wieder prätentiös in den Mittelpunkt gerückt wird. Als schweigsamer Revolverheld machte Anthony allerdings eine wesentlich bessere Figur als als abgehalfterter Aushilfs-'Indiana Jones'. Als lässiger Abenteurer fehlt es ihm an Attraktivität und Glaubwürdigkeit, und seine ständigen Versuche, cool aus der Wäsche zu gucken, sind nicht mal halb so effektiv wie noch in seinen Paraderollen als BLINDMAN oder WESTERN JACK. Immerhin wird sein schwaches Schauspiel in der deutschen Fassung ein wenig durch die souveräne Synchronisation von Michael „Chevy Chase“ Brennicke kaschiert. Die restlichen Darsteller agieren solide, Francisco Rabal [→ DER LANGE TAG DER RACHE] als todkranker Sokrates sticht positiv heraus, Emiliano Redondo [→  PHANTASTISCHE REISE ZUM MITTELPUNKT DER ERDE] amüsiert als Bösewicht mit dämlichen Dialogen aus dem Sektenführer-Handbuch.

Für den Soundtrack indes konnte man sich ein echtes Schwergewicht angeln: Ennio Morricone, Komponist solch legendärer Melodien wie die von ZWEI GLORREICHE HALUNKEN oder SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD, leistete hier seinen Beitrag, schien dieses Mal allerdings ebenso uninspiriert zu Werke gegangen zu sein wie der Rest der Crew: Das Ergebnis zählt zu seinen schwächsten Arbeiten während dieser Phase und lässt die für ihn typische Charakteristik völlig vermissen. Auch die Regie führte Vielfilmer Ferdinando Baldi ohne auffallende Leidenschaft, was zu seinem Ruf als wenig visionärem Routinier passt. Baldi war eher der solide Handwerker, dessen Arbeiten stets von der Qualität des Skriptes abhängig waren. Als solcher inszenierte er alles, was irgendwie Erfolg versprach, seien es Western [→ DJANGO – DER RÄCHER], Komödien [→ VIER FÄUSTE SCHLAGEN WIEDER ZU], Gialli [→ NEUN GÄSTE FÜR DEN TOD] oder Schmuddelkrimis [→ HORROR-SEX IM NACHTEXPRESS], stets mit gütemäßig schwankendem Ergebnis. Produziert wurde die Sause übrigens von der Firma Cannon, die in den 80ern Recken wie Michael Dudikoff, Chuck Norris und Charles Bronson in den Kampf um die Publikumsgunst schickte und damit eine ganze Wagenladung an Billig-Action fabrizierte, die nicht nur höchst erfolgreich war, sondern im Nachhinein auch den begehrten Kult-Stempel aufgedrückt bekam.

Das wird dem GEHEIMNIS DER VIER KRONJUWELEN nun freilich niemals passieren. Freunde kostengünstiger Blockbuster-Epigonen dürfen dennoch mal einen zaghaften Blick riskieren, denn die zweite Anthony-Baldi-Kollaboration bietet launiges Jahrmarkt-Flair mit leichtem Horroreinschlag, drolligen Geisterbahn-Effekten und einer arg wunderlichen Geräuschkulisse, bei der es im Hintergrund meist seltsam pfeift und schnarrt und bimmelt. Garniert wird der holprige Hokuspokus dann von einem (natürlich) von JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES abgekupferten Finale mit reichlich Blitz und Bumm und dummer Maske, dafür ohne Sinn und ohne Verstand. Wer keine Furcht verspürt vor den Niederungen preiswert produzierter Schleuderware, der rücke sich die 3D-Brille zurecht und löse sich einen Fahrschein am Einlass. Wer hingegen nur die wirklich gute Abenteuer-Unterhaltung aus dem Hause Cannon sucht, der sollte sich lieber an QUATERMAIN halten.

Laufzeit: 95 Min. / Freigabe: ab 16

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