Sonntag, 28. Juni 2015

FUGITIVE GIRLS


FUGITIVE GIRLS
USA 1974

Regie:
Stephen C. Apostolof

Darsteller:
Margie Lanier,
Jabie Abercrombe,
Rene Bond,
Tallie Cochrane,
Donna Young,
Forman Shane,
Nicolle Riddell,
Ed Wood



„No Prison Bars could hold them.“


Inhalt:

FUGITIVE GIRLS beginnt, wie eigentlich nichts auf der Welt jemals beginnen sollte: mit einem nackten, haarigen Männerarsch, emsig pumpend im flauschigen Beat sanfter Porno-Musik. Zu jedem Arsch gehört ein Gesicht, und das ist in diesem Falle das von Joe Pepe, der gerade eifrigst dabei ist, sein holdes Fräulein zu beackern. Nach vorschriftsgemäß vollzogener Beackerungsmaßnahme fällt ihm plötzlich auf, dass gar kein Schnaps mehr im Hause ist. Das ziemt sich nicht, und daher schlägt er dem Weibchen vor, zwecks Alkoholbeschaffung zu seinem Lieblingsdealer zu fahren – dort sei der Suff schön billig und anschreiben lassen könne man auch noch. Mit solch vielversprechenden Aussichten im Gepäck geht es in die Nacht hinaus bis zu besagtem Laden. Frauchen bleibt im Wagen, Joe betritt das Geschäft. Nun erfährt man auch, warum es dort für ihn so preiswert ist: Der werte Herr mit dem haarigen Arsch bevorzugt die Zahlung per gezogener Bleispritze. Das gefällt dem Inhaber aber nicht, weswegen er versucht, Alarm zu schlagen. Es kracht ein Schuss, der Ladenbesitzer geht zu Boden. Joe flüchtet ins Auto, wo immer noch seine bessere Hälfte auf ihn wartet, der es allmählich dämmert, dass ihr Herzblatt womöglich doch gar nicht der liebe Onkel ist, für den sie ihn immer gehalten hat. Als sie schreckensstarr nicht mehr im Stande ist, aufs Gaspedal zu treten, fliegt sie kurzerhand aus der Karre und Joe gibt Bleifuß.

Pech für die Gute: In Ermangelung des richtigen Täters wird der Einfachheit halber kurzerhand sie verhaftet und auch direkt zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt. Zwei Uniformierte geleiten Dee (so heißt die Frau, wie man jetzt erfährt) [Margie Lanier] in ihr neues Heim. Was einem hier als Frauenknast verkauft werden soll, erweckt allerdings eher den Anschein einer abgelegenen Jugendherberge: weder Mauern, noch Zäune, noch Wachen, dafür aber viel Auslauf, unberührte Natur und frische Waldluft – so manch einer würde dafür bezahlen, hier wohnen zu dürfen. Dee hingegen darf nun auf Staatskosten hier residieren und lernt erstmal ihre neuen Mitbewohner kennen: Kat [Tallie Chochrane], Sheila [Donna Young], Toni [Rene Bond] und Paula [Jabie Abercrombe]. Kaum hat man sich vorgestellt, ertönt auch schon die Hupe. Toni macht klar, was das bedeutet: Duschen ist angesagt (war ja klar, feucht-fröhliche Wasserspritzereien gehören schließlich in jeden anständigen Frauenknast-Streifen)! Seltsamerweise wird das nasse Vergnügen hier zwar angekündigt, danach dann aber gar nicht gezeigt. Das verwundert vor allem, da FUGITIVE GIRLS ansonsten eigentlich kein Kind von Traurigkeit ist.

„Männer, Männer, Männer“, sinniert Toni später am Abend, „was für ein Höllenloch ist doch dieser Ort ohne Männer?“ Dann erklärt sie der Neuen erstmal, welche Dinge wirklich wichtig sind im Leben einer Frau (nämlich Männer und Moneten) und berichtet von einer erquicklichen Summe Bargeld, die draußen auf sie wartet, versteckt an einem geheimen Ort. Natürlich glauben ihr die anderen kein Wort, und Paula beleidigt die Männerfreundin sogar als „White Trash“, was dieser natürlich gar nicht passt: „Halt dein Maul, du schwarze Schlampe!“ Dummerweise verplappert sich die so Titulierte daraufhin und verkündet etwas von einem geplanten Ausbruch. Kat ist stinksauer, denn eigentlich sollte die Neue davon ja gar nichts wissen. Dees Beteuerung, sie habe überhaupt nichts gehört, wird seltsamerweise keinen Glauben geschenkt. Daher setzt man nun ganz auf Einschüchterung: „Wenn du auch nur ein Sterbenswörtchen ausplauderst, dann schneid ich dir die Titten ab.“ Warum die Ladys überhaupt flüchten wollen, bleibt indes nach wie vor die große Frage, denn irgendetwas auszustehen haben sie hier tatsächlich nicht. Während sie dieses Gespräch führen, sitzen sie locker und entspannt im sonnendurchfluteten Gemeinschaftsraum, auf dem Tisch liegen bunte Comichefte, und Dee spielt nebenbei Karten mit sich selbst. Draußen ist feinstes Wetter, die Tür steht sperrangelweit offen und lädt zum Toben auf dem Rasen ein. Eine Wache oder ähnlich geartetes Personal ist weit und breit nicht zu sehen. Nun wird das Ganze zwar eingangs als „Minimum Security Prison“ bezeichnet, aber die Hütte ist definitiv keine Tiefst-Sicherheit mehr, die ist schon Null-Sicherheit.

Bevor im großen Stil geflüchtet wird, wird aber erst mal gevögelt: Dee liegt im Bett und weint sich in den Schlaf. Kat lässt sich nicht lang bitten und kommt trösten. Erst will Dee nicht, aber wie das halt immer so ist: Nach ein bisschen Gekuschel und Geschlabber findet sie das doch alles gar nicht so schlecht und kuschelt und schlabbert eifrig zurück. Nachdem nun auch das erledigt ist, wird es endlich Zeit für den großen Ausbruch - und da Dee sich inzwischen bei Kat unentbehrlich gemacht hat, darf sie nun auch netterweise mitkommen. Die spektakuläre Aktion läuft übrigens folgendermaßen ab: Die Tür öffnen, hinausspazieren, geduckt an der Hauswand entlangschleichen, unter einem einen Meter über dem Boden schwebenden Maschendrahtzaun hindurchkriechen, fertig! Zwar schwingt der Set-Praktikant am Bildrand auch noch die Taschenlampe, um einen Suchscheinwerfer vorzugaukeln, aber merklich spannender wird die Sache dadurch trotzdem nicht. Selbst die Mädels sind ganz entspannt, krabbeln gemütlich unter dem Zaun durch und machen dabei noch ein paar kleine Scherze. Kaum wieder in Freiheit, gibt die Bande allerdings Fersengeld – der Alarm ist losgegangen. Ein paar Dorfsheriffs (die aussehen wie die letzten Hinterwäldler) schwärmen aus mit Suchhund und Gewehr, finden aber nichts, denn die Flüchtigen haben sich listigerweise hinter einem Strauch versteckt (dazu ertönt ein Soundtrack, der fatal an die Titelmusik der alten BATMAN-Serie erinnert).

Nach so viel Aufregung wird es erstmal Zeit für einen Augenblick der Ruhe: Kat beichtet Dee, weswegen überhaupt alle eingesessen haben. Es ist das Übliche: Mord, Diebstahl, Schmuggel, Eierabschneiden (ersteres ist übrigens merkwürdig, hieß es doch am Anfang, dass Mord ein zu krasses Vergehen wäre für ein Gefängnis mit solch geringer Sicherheitsstufe - aber egal). Nachdem das nun geklärt ist, streift man weiter durch die Gegend und trifft plötzlich aus heiterem Himmel auf einen Haufen völlig durchgeknallter Hippies, die sich mitten im Wald ein Lager aus alten Bettlaken gebastelt haben und nun nach Herzenlust feiern, schwofen und sich die Seele aus dem Leibe grölen als gäbe es kein Morgen mehr. Die Damen tanzen oben ohne, und die Herren hauen dazu energisch in die Klampfe. Über den Überraschungsbesuch ist man anscheinend hocherfreut, und so hockt man bald schon am Lagerfeuer und reicht die Pulle rum, während hinterm Busch fleißigst kopuliert wird. Der nächste Morgen bringt dann das böse Erwachen: „Diesen Mist nennt ihr Kaffee?“ fragt Kat. „Natürlich nicht“, antwortet die Zeckenbraut, „das ist Bio-Tee.“ Jetzt ahnen die fünf Knastjulen erst, mit was für nem Pack sie es hier eigentlich zu tun haben und zerreißen sich so lang die Mäuler, bis den sonst so friedlebenden Hippie-Chefs Bat [Gary Schneider] und Presser [Douglas Frey] der Bio-Kragen platzt: „Nennt uns noch einmal 'Freaks', und ihr endet mit gebrochenen Knochen und offenem Schädel!“ Plötzlich gar nicht mehr so freundlich, zwingt Bat die Gäste nun, sich zu entkleiden, um an einer kleinen Massenbelustigung teilzunehmen. Doch Kat weiß das im letzten Augenblick durch einen gezielten Tritt in Bats Juwelen zu verhindern. Sein Kumpel Presser ist entsetzt: „Um Himmels Willen... Ne Lesbe!“

Auf diese Weise der unerwünschtes Misshandlung entkommen, setzen die Flüchtigen ihren Weg fort. Weil es mittlerweile so heiß geworden ist, ziehen sie erstmal ihre T-Shirts aus, begleitet von einem Gespräch, was sie mit ihrer zurückeroberten Freiheit denn überhaupt anzufangen gedenken. Die Ziele sind vielfältig: Auswandern, sich flachlegen lassen, solche Dinge halt. Danach legt man sich erstmal wieder schlafen. Nach 50 Minuten Spieldauer ist es natürlich auch allerhöchste Zeit, mal wieder ein paar neue Figuren einzuführen. So wird man nun erst einmal Zeuge, wie der alte Automechaniker 'Pops' einen Anruf vom Sheriff erhält. Dieser erzählt ihm nun, was das Publikum schon weiß, nämlich, dass fünf Ausbrecherinnen durch die Gegend streifen und Pops umgehend bescheidstoßen solle, falls sie ihm über den Weg laufen. Dieser reagiert souverän: „Ich kann Ihnen versichern, Sheriff, wenn ich fünf heiße Bräute sehe, die mir einen Besuch abstatten wollen, dann werde ich Sie ganz bestimmt zu Hilfe rufen.“ Schäbig lachend legt er auf, doch die Freude vergeht ihm wieder, als plötzlich ein paar Biker auftauchen, um ihn zu bedrängen (indem sie laut johlend immer wieder über seinen Hof fahren). Währenddessen besorgen sich die 'Fugitive Girls' erst einmal einen fahrbaren Untersatz – auf die klassische Methode: Sheila stellt sich auf die Straße, Daumen raus, Auto stoppt, Fahrer freut sich auf ne gute Partie, wird dann aber von Sheila und dem Rest der Bagage zusammengetreten. Nun könnte man natürlich einfach einsteigen und losfahren, aber Paula fällt plötzlich etwas viel Besseres ein: „Ich hatte schon lange keinen Mann mehr – vor allem keinen weißen.“ Das erweicht sogar Kats raues Herz: „Gut, nimm ihn dir! Aber beeil dich!“ Der arme Mann, dem inzwischen die Lust gründlich vergangen ist, wird nun von Paula von der Straße beordert und nach allen Regeln der Kunst durchgeritten und macht dazu Geräusche, als säße er auf dem Donnerbalken.

Kaum motorisiert, verreckt den Mädels die Karre nach ein paar Kilometern auch schon wieder. Wohin? Natürlich zu Pops Werkstatt. Dieser erkennt natürlich sofort, mit wem er es zu tun hat, und will sein Versprechen wahr machen: Kaum ist der Wagen wieder in Schuss, greift er zum Telefon, um den Sheriff zu verständigen. Jeder vernünftige Mensch hätte damit natürlich gewartet, bis die Ausbrecher wieder verschwunden sind, aber Pops hält es für klug, das sofort zu erledigen. Keine gute Idee: Kat merkt sofort, wie der Hase läuft, und verpasst dem alten Mann ne anständige Abreibung. Die Mädels sprinten zum Wagen und geben hurtig Kette (dazu läuft wieder die BATMAN-Musik), werden dabei aber beobachtet von der bösen Motorrad-Gang, die schon bereits Pops belästigt hatte. Spontan entscheiden die Rabauken, dass es mal Zeit wird, ein paar Hühner zu vernaschen, und versuchen einen ganz ähnlichen Trick wie ihre vermeintlichen Opfer zuvor: Einer legt sich auf die Straße, der Rest wartet, bis die Ladys aussteigen, und dann wird zum Angriff übergegangen. Klappt auch zum Teil ganz gut, aber die Herren haben nicht mit der Robustheit der Ausbrecherinnen gerechnet und werden stattdessen von den Mädels vertrimmt. Diese springen lachend wieder in den Wagen, reißen ein paar Sprüche („Männer werden es niemals lernen“), und die Fahrt geht weiter.

Langes Autofahren macht müde, und weil man inzwischen keine Lust mehr hat, ständig unter freiem Himmel zu nächtigen, dringt man kurzerhand ins nächstbeste Haus ein. Drinnen sitzen ein Mann im Rollstuhl und eine Frau im Sessel und schlummern. Mit der Ruhe ist es vorbei, als letztere ob der ungebetenen Gäste aus dem Schlafe schreckt und ihren Ehemann ebenfalls wachrüttelt. Dieser erkennt sofort, dass die Besucher aus dem Gefängnis ausgebrochen sind, nennt sie „Schlampen“ und kassiert dafür einen Schlag mit dem Gewehrkolben. Im Anschluss wird erst einmal seine Gemahlin genötigt, erst zum Kaffeekochen, dann sexuell, denn die kessen Ausbrecherinnen packt mal wieder die Lust (dass das Opfer bei der Vergewaltigung aussieht, als würde es sich totlachen, ist vermutlich nicht beabsichtigt). Ihr Angetrauter will helfen und eilt mit dem Rolli herbei, wird jedoch von Kat kurzerhand umgeworfen und zünftig zusammengestiefelt. Doch dann kommt es zu einer überraschenden Wende ...

Kritik:

FUGITIVE GIRLS ist ein Paradebeispiel für das, was man seit 2007 - Tarantino und Rodriguez sei's gedankt – auch in Deutschland 'Grindhouse' nennt: ein räudiger Beitrag fürs Bahnhofskino-Programm der 70er Jahre, spottbillig in der Produktion, reich an Sex & Crime und ohne jede Scheu davor, an niedere Instinkte zu appellieren. Die damaligen Sensationen sind natürlich längst überholt, die Unmoral jedoch kriecht immer noch freudenspendend aus jeder Szene: Die Titelhelden vergewaltigen Frauen und Männer zu lustiger Fahrstuhlmusik, malträtieren wehrlose Krüppel, schlagen Rentner, Rocker und Müslifresser zusammen und beleidigen so ziemlich alles und jeden. Dazu gibt es Autojagden in gemütlichem Schritttempo, Gewehrschüsse ohne Rückschlag und Mündungsfeuer und eine illustre Parade der heftigsten Stilsünden der 70er.

Auftritt Bat und Presser:

(Gary Schneider, Douglas Frey)

Mal abgesehen von solchen Modeentgleisungen kann das Gebotene freilich keinen mehr erschrecken, dafür ist die Inszenierung dann doch ein wenig zu läppisch und das Geschehen nicht ernsthaft genug präsentiert. Die Geschichte ist gewiss arg episodenhaft, wird aber immerhin durch die Flucht als erzählerische Klammer brauchbar zusammengehalten. Zudem gerieten die Ereignisse durch die verschiedenen Stationen ziemlich abwechslungsreich. Die anfangs als Hauptperson eingeführte Dee wird im weiteren Verlauf zwar etwas außer Acht gelassen, hat dann am Ende jedoch wieder entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Handlung. Die Chance auf eine zumindest etwas tiefsinnigere Charakterentwicklung hat man hingegen, trotz durchaus vorhandener Möglichkeiten, ungenutzt verstreichen lassen. Die Darsteller geben ihr Bestes. Das ist nicht viel, aber oftmals reicht es. Die Mehrzahl der FUGITIVE GIRLS kommt aus der Pornoecke, da darf man nicht zu viele Facetten erwarten. Speziell Tallie Chochrane als spröde Anführerin Kat macht ihre Sache gut. Wer genau hinsieht, entdeckt in einer Nebenrolle eine waschechte Filmlegende: Der kauzige Automechaniker 'Pops' wird von niemand Geringerem gespielt als vom damals 50jährigen Ed Wood, der für seine schrägen Science-Fiction-Grusler [PLAN 9 AUS DEM WELTALL] und Transvestiten-Dramen [GLEN ODER GLENDA] als einer der schlechtesten Regisseure der Welt gilt (was freilich nicht der Wahrheit entspricht).

FUGITIVE GIRLS kommt etwas schwer in Gang, aber spätestens nach der Begegnung mit den Bio-Tee-Schlürfern wird die Veranstaltung doch schwer unterhaltsam und bereitet auf behaglich-unmoralische Art und Weise ziemlich viel Freude. Der rüde Sprachduktus wirkt stellenweise etwas erzwungen, die Dialoge gefallen in ihrer Mischung aus bösem Zynismus und sanfter Ironie trotzdem. In Kombination mit schäbigem Charme, schmissigem Sound und einer wunderbar bissigen Schlussszene ergibt das einen großartig siffigen Shit für alle Fans von Schmutz und Schund. Alle anderen werden vermutlich die Flucht ergreifen.

Laufzeit: 96 Min. / Freigabe: in Deutschland nicht erschienen

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